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Schwarzer Schwan

Schwarzer Schwan

Titel: Schwarzer Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Eckert
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Bundeskanzlerin.
    Mierscheid registrierte, wie seine Mutter ihn vergötterte. Er verzieh ihr alles.
    Die Kapelle des Neusser Hauptfriedhofs füllte sich. Mierscheid setzte sich in die letzte Reihe. Der blaue Engel des großen Glasfensters leuchtete in der Sonne, es wurde warm und stickig. Mierscheid öffnete sein Sakko und prüfte den Sitz der schwarzen Krawatte.
    Seine Mutter war zu Hause geblieben, sie benutzte die kaputte Hüfte als Vorwand. Seit der Beerdigung seines Vaters mied sie Trauerfeiern und Friedhofsbesuche. Mierscheid kannte den wahren Grund: Sie wollte nicht an ihre eigene Sterblichkeit erinnert werden. An den Tod, der manchmal in ihren Träumen an ihre Tür klopfte, wie sie Mierscheid einmal erzählt hatte.
    Er fragte sich, ob der Grabstrauß, den er in Händen hielt, nicht zu aufdringlich roch: weiße Lilien mit etwas Grünzeug, hübsch gebunden.
    Lichtenberg nickte ihm zu, als er im Mittelgang vorbeiging, um vorn bei der Familie Platz zu nehmen.
    Nach seiner Landung in Düsseldorf hatte Mierscheid erneut im dortigen Präsidium angerufen, bis er endlich eine gewisse Ela Bach an die Strippe bekommen hatte, die Leiterin des zuständigen Kommissariats. Doch auch sie hatte ihn abgewimmelt: keine neuen Erkenntnisse. Danach hatte er es in Hamburg beim Spiegel versucht – Redakteur Römer war wieder nicht da oder ließ sich verleugnen.
    Der Pfarrer machte das Kreuzzeichen und begrüßte die Versammelten. Hinter ihm der geschlossene Sarg, geschmückt mit einem üppigen Blumengesteck und von allerlei Kränzen umgeben. Rot war die vorherrschende Farbe.
    Mierscheid konnte nicht anders. Leise schluchzte er in sein Taschentuch. In Gedanken stand er wieder am Aachener Platz: Paulas Leichnam hinter dem Flatterband, ihr schwarzer Anzug und ihr Haar verdreckt von Blut und Straßenstaub.
    Es kam ihm vor, als hätte er seitdem nur noch funktioniert wie eine Puppe, die programmierte Kapriolen zum Besten gab: Ausschuss, Besprechungen, Interviews – Blablabla. Wozu das Ganze?
    Paula hatte ihre Entscheidung getroffen: Ich lasse mich nicht länger vor diesen Karren spannen.
    Für einen Moment wünschte sich Mierscheid, er wäre genauso mutig. Dann musste er aufstoßen und schmeckte Portwein, vermischt mit Magensäure.
    Als Letzter der vielen Trauergäste warf Mierscheid seine Blumen in die Grube. Ein Berg toter Pflanzen verbarg Paulas edle Kiste. Die weißen Lilien wirkten bereits welk.
    »Schön, dass Sie gekommen sind, Herr Mierscheid!«
    Es war Ingrid Busch, Paulas Mutter. Sie war schmal, klein und freundlich wie immer, aber nur noch ein Schatten der Ingrid, die er kannte. Sie klammerte sich an den Arm ihres Mannes Roland, der kein Wort hervorbrachte.
    Stummes Händeschütteln.
    Früher hatte Frau Busch ihn beim Vornamen genannt und geduzt – wie jeden Freund Paulas. Eine quirlige Person, immer auf das Wohlergehen der anderen bedacht. Wie konnte sich ein Mensch so verändern? Mierscheid wusste, dass die Antwort auf der Hand lag: Was gibt es Schlimmeres, als innerhalb weniger Wochen seine beiden Kinder beerdigen zu müssen?
    »Kommen Sie noch mit ins Café? Wir würden uns sehr freuen.«
    Am Ende der verwinkelten Tafel fand Mierscheid einen freien Platz. Die Stühle waren eng gestellt, die Luft viel zu schwül für seinen Geschmack. Die Frau zu seiner Rechten roch nach Körperschweiß, also wandte er sich nach links und begann eine Unterhaltung mit einem hageren, still und mürrisch wirkenden Kerl mit Kinnbart, etwa vierzig Jahre alt. Bald stellte sich heraus, dass er Carsten Kehrein war, der Witwer von Paulas jüngerer Schwester.
    Mierscheid drückte sein Beileid aus und fragte sich, warum der Mann nicht drüben an der Stirnseite saß, wo die Plätze für Paulas Eltern und die engere Verwandtschaft reserviert gewesen waren.
    »Ich erinnere mich noch, wie toll Constanze Klavier gespielt hat«, sagte Mierscheid aus Höflichkeit.
    »Ach ja?« Kehrein warf ihm einen skeptischen Blick von der Seite zu. »Das muss schon ewig her sein. Als ich sie kennenlernte, hatte Conni schon lange keine Tasten mehr angerührt.«
    Das Bedienungspersonal trug Suppe in großen Schüsseln auf. Mierscheid war nicht scharf darauf, aber die Frau mit dem Schweißgeruch schöpfte ihm den Teller voll. Dabei kam sie ihm näher, als ihm lieb war.
    Mierscheids Handy vibrierte, er kontrollierte das Display. Sein Wahlkreisbüro. Vermutlich wollte man ihn an Termine erinnern, die heute noch anstanden, dabei hatte er alles im Kopf. Bis zum Grillfest der

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