Schwarzer Schwan
Heller hat Hanna Kaul observiert und dabei fiel ihm ihre Nichte auf. Angenommen, er ist der Entführer. Dann steht er jetzt unter Druck, weil wir bei ihm waren. Das steigert die Gefahr, dass er Leonie umbringt.«
»Zu viele Horrorfilme gesehen«, spottete Thilo Becker.
»Wollen wir uns vorwerfen lassen, wir hätten nicht alles versucht?«
»Uwe Heller ist nicht vorbestraft. Und das Auto seiner Frau ist nicht der einzige weiße Golf in der Region. Für den Verdacht des Kollegen Roth sehe ich keinen Anhaltspunkt.«
»Natürlich nicht. Ihr seid ja dicke Freunde.«
»Beruhigt euch.« Staatsanwalt Schneider hob die Hand. »Das vermisste Mädchen ist nicht unser Fall.«
»Aber …«
»Wer hier welche Ermittlung führt, müssen Sie schon der Staatsanwaltschaft überlassen. Soviel ich weiß, liegt der Vermisstenfall beim KK 12, und da ist er gut aufgehoben. Außerdem würde mir beim Stand der Dinge kein Richter seine Unterschrift für eine Durchsuchung geben.«
Für einen Moment war es still im Raum. Dominik sah ein, dass er gegen Schneider nicht ankam.
Anna ergriff das Wort. »Mal angenommen, Uwe Heller lügt nicht und er war tatsächlich nicht am Flughafen.«
»Worauf willst du hinaus?«, fragte Ela Bach.
»Wen hätte Patrick Neidel dann bestohlen?« Anna wandte sich an Dominik. »Da war doch noch ein zweiter Mann, der Hanna Kaul für Urban Ermittlungen observiert hat.«
»Ein gewisser Mario Costa«, antwortete er. »Ein ehemaliger Zeitsoldat der Bundeswehr, der sich ebenfalls als Detektiv und sogenannter Sicherheitsberater selbstständig gemacht hat. Aber ihn hat die Zeugin Oppers ausgeschlossen.«
»Auch Costas Passbild kann veraltet sein. Wir dürfen nichts auslassen.«
MK-Leiter Becker verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Vielleicht sind weitere Personen involviert, die Urban unserem Kollegen Roth verschwiegen hat. Das KK 14 ermittelt seit heute wegen Einbruchs in die Wohnung von Hanna Kaul und wegen illegalen Lauschangriffs. So viel ich weiß, wird es in dem Zusammenhang eine Durchsuchung bei Urban Ermittlungen geben. Ich würde vorschlagen, dass wir uns dranhängen. Vielleicht liegt in dieser Detektei der Schlüssel zu den Mordfällen.«
»Gute Idee«, lobte Ela Bach, fixierte Dominik und hob den Zeigefinger. »Und kein Sterbenswörtchen über die geplante Durchsuchung, falls du heute Abend wieder mit deinem alten Kumpel beim Bier sitzt.«
Dominik fühlte, wie Hitze in ihm aufstieg.
»Verstanden?«
»Klar.«
Er klopfte an Susanne Hachmeisters Tür und trat ein.
»Und?«, fragte sie.
»Ich habe Geräusche in einem Keller gehört.«
»Waren es Stimmen? Da freut sich der Seelenklempner!«
»Haha.«
»Schieß los.«
Dominik setzte sich und berichtete über seinen Ausflug nach Haan. Er wollte wissen, ob Hachmeister seinen Verdacht gegen Uwe Heller, den Exkollegen, nachvollziehen konnte. Die Sachbearbeiterin für Vermisstenfälle hörte zu, wirkte aber unkonzentriert. Sie blickte auf die Uhr, stand auf und öffnete zuerst den schmalen Büroschrank, dann den Gürtel ihrer Jeans.
»Was hast du vor?«, fragte Dominik
»Dreh dich um. Ich komme ins Fernsehen. Alles wegen dir.«
»Nein, wegen Leonie.«
»Umdrehen!«
Er folgte ihrer Bitte, blickte aus dem Fenster und fuhr fort: »Der weiße Golf, verstehst du? Von wegen gestohlen. Ich habe ein ganz übles Gefühl.«
An der Zufahrt zum Innenhof hob sich die Schranke für einen weißen Kombi mit dem blauen Logo des Westdeutschen Rundfunks.
»Du könntest gleich nach dem Interview mit dem zuständigen Staatsanwalt reden! Auf dich wird man hören. Du hast einen guten Ruf.«
»Nur weil seine Frau einen weißen Golf besitzt, muss Heller noch lange nicht …«
»Wie gesagt, da war etwas im Keller.«
Dominik hörte Kleidergeraschel und das Geräusch eines Reißverschlusses.
»Du kannst wieder gucken.«
Die Kollegin trug jetzt einen Nadelstreifenanzug.
»Très chic«, sagte Dominik.
»Bist du dir sicher?«
»Ja, doch, wirklich!«
»Ich meine wegen Heller und Leonie.«
»Nein, sicher bin ich mir nicht.«
Hachmeister zog die Augenbrauen hoch.
»Aber möglich ist es«, ergänzte Dominik.
»Für den Staatsanwalt brauche ich etwas Schriftliches. Alles, was du über Heller, seine Frau und das gestohlene Auto weißt.«
»Das angeblich gestohlene Auto.«
»Kein Richter beschließt bei dieser Faktenlage eine Durchsuchung.«
»Lass es uns versuchen. Was haben wir sonst?«
Hachmeister griff nach einer Haarspraydose, bückte sich und sprühte
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