Schwarzer Schwan
wenn du willst.«
»Ist das alles, was dir dazu einfällt?«
»Lass uns bei einem schönen Cocktail …«
»Ich glaube nicht, dass ich dazu in der Stimmung wäre.«
»Wieso?«
»Weißt du was? Bleib zu Hause bei deiner Roswitha und den Kindern. Heute und für immer. Es ist aus. Ich will dich nicht mehr sehen!«
Hanna drückte die rote Taste und ließ die Hand mit dem Telefon sinken. Sie hatte Dampf abgelassen, fühlte sich aber nicht besser. Der Mistkerl hatte kein Wort des Mitgefühls für sie übrig gehabt. Nicht einmal den Dummen gespielt und gefragt: Welche Detektive, welche Wanzen?
Kein Zweifel: Helmut wusste Bescheid, wenn er nicht sogar der Drahtzieher der Observierung war.
Tränen traten in ihre Augen und sie schlug mit der Faust auf den Tisch.
Britta trat in die Tür, einen Stapel Fotoalben im Arm.
»Ärger mit dem Lover?«, fragte sie.
»Halt dich da raus!«, brüllte Hanna.
Es klingelte. Das Fernsehteam.
Die Schwestern blickten sich an.
»Entschuldige«, sagte Hanna.
»Schon gut.«
»Das war nicht mein Lover, sondern mein Exlover. Ich habe Schluss gemacht. Der Arsch ist so hinterhältig, so kaltblütig …«
»Das tut mir leid.«
»Tut es nicht.«
»Doch.« Britta nahm sie in den Arm. »Ich weiß, wie du dich fühlst.«
Ein zweites Klingeln.
»Sorry, dass ich damit nerve«, sagte Hanna. »Leonie ist jetzt viel wichtiger.«
Als Letzter seines Teams stapfte der Kameramann in die Wohnung, ein brummiger Alter mit Anglerweste über der Wampe. Statt eines Grußes beschwerte er sich über den Parkplatzmangel in diesem Teil der Stadt, als sei es Hannas oder Brittas Schuld. Sein Assistent entdeckte unterdessen die Krimisammlung im Bücherregal und verwickelte Britta in ein Gespräch über Autoren, die seiner Ansicht nach fehlten.
Hanna bot Kaffee an. Der Reporter ließ sich einschenken und machte sich über die Fotobücher her. Er war deutlich jünger als die beiden anderen. Sein blasses Gesicht und der Seitenscheitel erinnerten Hanna an ihre Schulzeit – der Streber in der ersten Reihe hatte ähnlich ausgesehen.
In den älteren Alben steckten noch Abzüge in Fotoecken. Ungeniert zupfte der WDR-Mann alles heraus, was Leonie zeigte.
»Wozu brauchen Sie eine Aufnahme von ihr als Baby?«, wollte Hanna wissen.
Der Reporter sah sie verständnislos an. »Ist doch süß.«
Er wies den Kameramann an, die Fotos abzufilmen.
Der Anglerwestentyp blickte sich nach seinem Assistenten um. »Stativ!«
»Das geht auch so«, widersprach der Krimifachmann ungerührt. »Hast ’ne ruhige Schulter, Gonschorek.«
»Und hol den Lichtkoffer aus dem Auto!«
Der Assistent schaltete die Deckenlampe ein. »Ist doch hell genug hier.«
Hanna berichtete von der Nacht, als Leonie verschwand, und dass die Polizei nach dem Fahrer eines weißen Autos suche. »Ein Golf älteren Typs«, wiederholte sie, damit die Information nicht verloren ging.
»Das Mädchen wurde also auf dem Weg hierher überfallen?«, fragte der Reporter nach.
»Nein, auf dem Weg zu mir. An dem Abend sollte sie noch einmal bei mir übernachten, denn meine Schwester war gerade erst aus dem Urlaub zurückgekehrt.«
»Hm, das ist zu umständlich. Ich sage einfach, dass sie auf dem Nachhauseweg entführt worden ist. Die Zuschauer mögen es nicht, wenn es allzu kompliziert wird.«
Und Hanna mochte es nicht, wenn man sie für dumm verkaufte. Vielleicht schalte ich deshalb so selten den Fernseher ein, dachte sie.
Der Kameramann hatte das letzte Foto abgefilmt. Der Reporter strich sich Strähnen aus der Stirn und bat Britta endlich zum Interview.
Hannas Handy klingelte. Helmut, dachte sie sofort, doch die Nummer auf dem Display war nicht seine. Hanna ging nach nebenan und zog die Tür zu.
Es war Dominik. Er erzählte etwas von einer bevorstehenden Durchsuchung und, dass er für den Spürhund eine Geruchsprobe bräuchte. Etwas, was Leonie getragen hatte.
»Das heißt, du weißt, wo sie steckt?«
»Es gibt zumindest eine vage Möglichkeit, die wir prüfen müssen. Sag aber deiner Schwester nichts davon, damit sie sich keine falschen Hoffnungen macht.«
Nachdem das WDR-Team abgezogen war, traf Dominik ein. Hanna hatte Leonies Sachen längst in Brittas Wohnung zurückgebracht. Sie steckten in dem mit Aufklebern übersäten Koffer des Mädchens. Hanna zog einen Schlafanzug hervor, der seit Leonies Verschwinden nicht gewaschen worden war. Natürlich in Rosa, noch immer Leonies Lieblingsfarbe.
»Reicht das?«, fragte Hanna. In Dominiks Gegenwart
Weitere Kostenlose Bücher