Schwarzer Schwan
war das Alter schwer zu schätzen.
»Thilo Becker meint, Heller sei in Ordnung«, sagte Anna.
»Wie kommt er darauf? Liliane Oppers hat ihn auf dem Passbild so gut wie identifiziert.«
Der Wagen rollte in die Garage. Die Frau folgte und öffnete die Hecktür.
»Er kennt ihn von früher.«
»Na dann«, antwortete Dominik spöttisch.
»Die Zeugin hat Heller nicht identifiziert. Sie meinte nur, dass es eine Ähnlichkeit gäbe. Und das Foto, das du ihr vorgelegt hast, muss uralt sein, denn der Mann ist inzwischen fast sechzig.«
Dominik drehte mit dem Daumen am Rädchen des Fernglases, um den Blick schärfer zu stellen. Das Paar trug Einkäufe in das Haus, prallvolle Rewe-Tüten. Sein Alter war dem athletisch gebauten Heller nicht anzumerken. Das T-Shirt brachte aufgepumpte Oberarme zur Geltung, der Bierbauch wölbte sich dezent. Dominik fiel auf, dass Heller Einsatzstiefel trug, als sei er noch beim MEK im Dienst.
»Du sollst zurückkommen, sagt Thilo. Er meint, es reicht, wenn er sich mit Heller telefonisch in Verbindung setzt«, fügte Anna hinzu.
In dieser Gegend braucht man ein Auto, um mobil zu sein, überlegte Dominik. Zwei Autos, wenn man als Paar hier wohnte. Der Platz neben dem Geländewagen war frei.
»Tust du mir einen Gefallen, Anna? Check doch mal, welches Fahrzeug auf den Namen von Hellers Frau läuft.«
»Willst du dranbleiben oder soll ich dich zurückrufen?«
»Ich bleibe dran.«
Zwei Mal gingen die Hellers zwischen Garage und Haus hin und her. Schließlich hob der Mann zwei Kisten Mineralwasser aus dem Wagen, setzte sie ab und verriegelte Auto und Garagentor, an dem er zur Kontrolle noch einmal rüttelte.
Dann verschwand er mit dem Wasser im Bungalow. In jeder Hand eine Kiste – von einem kranken Rücken keine Spur.
»Dominik!«
»Ja?«
»Meine Güte, ein Treffer voll ins Schwarze! Linda Heller fährt einen VW Golf, Farbe weiß, Baujahr 1990. Das kann nur ein Golf II sein. Wie das Auto, das Paula Buschs Mörder benutzte.«
Und Leonies Entführer, dachte Dominik. Am liebsten hätte er sofort das Haus gestürmt.
»Also, Anna, wollen wir den Mann nicht lieber doch von Angesicht zu Angesicht befragen?«
»Auf jeden Fall. Bin gleich bei dir!«
Eine Dreiviertelstunde musste er ausharren, bis die Kollegin endlich eintraf. Anna war nicht allein, Thilo Becker begleitete sie. Dominik fragte sich, ob der Leiter der Mordkommission ihnen nichts zutraute oder ob er die Spur nun doch für wichtig hielt.
»Sind sie da?«, fragte der MK-Leiter.
»Keiner hat das Haus verlassen.«
»Ich habe übrigens noch einmal mit dieser Hanna Kaul telefoniert. Sie hat mir erzählt, dass du Abhörsender aus ihrer Wohnung entfernt hast.«
»War das Mindeste, was ich tun konnte.«
»Du hast nur vergessen, den Einbruch und die Verletzung ihrer Wohnung zur Anzeige zu bringen. Ich hab das ans KK 14 gegeben, und wenn dahintersteckt, was ich vermute, kann das noch ganz große Wellen schlagen.«
»Meinst du, die RheinBank ist der Anstifter? Wird schwer zu beweisen sein.«
»Diese Sorge überlasse ich dem Staatsanwalt. Dass du keine Anzeige geschrieben hast, grenzt an Strafvereitelung im Amt, ist dir das klar? Noch so ein Ding, Kollege Roth, und du bist raus aus dem Fall und kannst wieder betrogene Senioren trösten!«
Dominik ballte die Faust. Offenbar hielt sich Becker für etwas Besseres. Dominik beschloss, dass er ihn nicht leiden konnte. Womöglich war der Mann nur hierhergekommen, um sicherzustellen, dass sein alter Bekannter Uwe Heller mit Samthandschuhen angefasst wurde.
Sie gingen hinüber zum Tor. Der MK-Leiter klingelte. Hundegekläff antwortete. Der Köter musste im Garten hinter dem Bungalow stecken.
Die blonde Frau erschien in der Haustür. Aus der Nähe revidierte Dominik seine Schätzung: Linda Heller war mindestens Mitte fünfzig. Weißliche Strähnen, jede Menge Falten und ein müder, mürrischer Blick.
»Was wollen Sie?«, fragte sie. »Wir kaufen nichts!«
Thilo Becker hielt seine Marke hoch. »Kripo Düsseldorf. Wir hätten da ein paar Fragen.«
Die Miene der Frau hellte sich schlagartig auf. »Haben Sie mein Auto gefunden?«
56.
Sie betraten die Küche. Überall fiel Dominik bunt gemustertes Plastik auf: der Bodenbelag, das praktische Tischtuch, das Tablett mit zwei dampfenden Kaffeebechern.
Uwe Heller begrüßte sie mit Handschlag und trug einen fünften Stuhl herbei. Aus dem Ausschnitt seines T-Shirts quoll graue Brustbehaarung. Misstrauen stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Wie
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