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Schwarzer Sonntag

Schwarzer Sonntag

Titel: Schwarzer Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Hafenkais gesehen hatte. Er dachte über die Gesetze der Hydraulik nach. Dann ging er vor die Garage und ließ die hintere Ladeklappe des Lastwagens herunter. Er befestigte die stählerne Laderampe. Er erinnerte sich an die Landungsboote, die er gesehen hatte, und wie ihre Rampen herunterklappten. Er dachte verzweifelt über alle möglichen Laderampen nach. Er blickte rechts und links die Straße hinunter. Kein Mensch weit und breit. Aber es kam auch nicht darauf an. Er sprang auf den Gabelstapler und hob die Bombe vom Boden. Vorsichtig jetzt. Es war eine heikle Sache. Er mußte sich konzentrieren. Er mußte behutsam vorgehen. Langsam fuhr er den Gabelstapler die Laderampe hinauf bis auf die Ladefläche des Lastwagens. Die Federung des Lastwagens quietschte unter der Last. Er senkte die Gabel mit der Bombe, legte die Bremse ein, schob Bremsklötze hinter die Räder und sicherte die Bombe und den Gabelstapler mit starken Seilen. Er dachte über Knoten nach. Von Knoten verstand er etwas. Er konnte zwölf verschiedene Knoten schlagen. Er durfte nicht vergessen, ein scharfes Messer hinten in den Lastwagen zu legen, damit Dahlia die Seile durchschneiden konnte, wenn es soweit war. O Dahlia, komm nach Hause, ich ertrinke. Er schob die Laderampe und den Kleiderbeutel mit den Maschinenpistolen auf den Lastwagen. Dann schloß er die Klappe. Es war geschafft.
    In der Garage mußte er sich übergeben Nur nicht denken. Er ging ins Haus und holte sich eine Flasche Wodka. Er trank einen Schluck, behielt ihn aber nicht bei sich. Erst der zweite Schluck blieb im Magen. Er nahm die Pistole aus der Tasche und warf sie hinter den Küchenherd, wo sie außerhalb seiner Reichweite war. Wieder die Flasche, und wieder und wieder. Schon war sie halb leer, der Wodka rann ihm übers Kinn, übers Hemd. Die Flasche. Wieder und wieder. Alles drehte sich. Ich will mich nicht übergeben. Ich will es bei mir behalten. Er weinte. Jetzt packte ihn der Alkohol. Er saß auf dem Fußboden in der Küche. In vierzehn Tagen bin ich tot, Gott sei Dank, endlich tot. Und alle anderen auch. Dann herrscht Stille. Das Nichts. Es hat so entsetzlich lange gedauert. O Gott, es hat so lange gedauert. Du hast recht gehabt, dich umzubringen, Jergens. »Jergens!« Er brüllte jetzt. Er war aufgestanden und taumelte zur Hintertür. Er brüllte in den Garten hinaus. Kalter Regen schlug ihm ins Gesicht, und er hörte nicht auf zu brüllen. Recht hast du gehabt, Jergens! Die Gartentreppe kam plötzlich auf ihn zu, er rollte in das abgestorbene Gras und in den Schnee hinunter. Dort blieb er, das Gesicht nach oben, liegen. Über einem letzten Gedanken verließ ihn das Bewußtsein: Wasser ist ein guter Wärmeleiter, das beweisen Millionen von Motoren und mein Herz, das kalt auf dieser Erde schlägt.
    Es war schon spät, als Dahlia den Koffer im Wohnzimmer abstellte und nach ihm rief. Sie suchte ihn in der Werkstatt, dann im Zimmer oben.
    »Michael.« Überall brannte Licht, und es war kalt im Haus. Sie wurde unruhig. »Michael.« Sie ging in die Küche.
Die Tür zum Garten stand offen. Sie lief hinaus. Als sie ihn erblickte, glaubte sie, er sei tot. Sein Gesicht war weiß, mit blauen Schatten darin. Durch den kalten Schnee hatte sich das Haar fest an den Kopf gelegt. Sie kniete sich neben ihn und tastete durch sein nasses Hemd nach dem Herz. Es schlug noch. Sie streifte ihre Schuhe mit den hohen Absätzen ab und schleppte ihn zur Tür. Durch die Strümpfe spürte sie, daß der Boden gefroren war. Ächzend zerrte sie ihn die Stufen hinauf in die Küche, riß die Decken vom Gästebett, breitete sie neben ihm auf dem Fußboden aus, streifte ihm die nassen Kleider ab und rollte ihn in die Decken ein. Sie rieb ihn mit einem Frottiertuch ab. Und dann saß sie neben ihm in dem Krankenwagen, der ihn ins Hospital brachte. Als es Tag wurde, hatte er 41 Grad Fieber und eine Lungenentzündung.

19
    D ER D ELTA -J ET kam über dem Lake Pontchartrain herein, noch ziemlich hoch über dem Wasser, und setzte dann zu einer jähen Landung auf dem International Airport von New Orleans an. Der plötzliche Sinkflug drückte Muhammad Fasils Magen gegen sein Herz, und er fluchte unterdrückt.
    Lungenentzündung! Dahlias Liebling mußte sich also betrinken und im Regen herumwälzen! Dieser Dummkopf war jetzt im Delirium, schwach wie ein Kätzchen, und Dahlia saß blökend vor Mitleid an seinem Krankenbett. Wenigstens würde sie darauf achten, daß er im Delirium nicht über die Aktion plapperte. Die

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