Schwarzer Sonntag
Wahrscheinlichkeit, daß Lander in fünfzehn Tagen beim Super Bowl-Spiel das Luftschiff fliegen konnte, war absolut Null, überlegte Fasil. Wenn Dahlia, diese starrköpfige Person, das endlich begriff, wenn sie einsah, daß von Lander nichts mehr zu erwarten war, würde sie ihn umbringen und nach New Orleans kommen. Das wenigstens hatte sie Fasil versprochen.
Es war hoffnungslos, dachte Fasil. Der Lastwagen mit der Bombe war genau nach Zeitplan auf dem Weg nach New Orleans. Aber was sollte er ohne Lander mit der Bombe? Er mußte einen neuen Plan entwickeln, und zwar hier, an Ort und Stelle, wo der Schlag geführt werden sollte. Zum hundertstenmal sagte er sich, daß Hafez Nadscheer einen schweren Fehler begangen hatte, als er Dahlia Iyad mit der Leitung der Mission betraut hatte. Nun, damit war es jetzt vorbei. Er würde jetzt die Leitung übernehmen.
Am Flughafen wimmelte es von Menschen, die zum Sugar Bowl-Spiel, dem Freundschaftsspiel zweier Universitätsmannschaften, kamen, das in drei Tagen im Tulane-Stadion stattfinden sollte. Fasil versuchte telefonisch in acht Hotels ein Zimmer zu bekommen. Alle waren ausgebucht. Er mußte sich mit einem Zimmer im Christlichen Hospiz begnügen.
Es war ein ziemlicher Abstieg, nachdem er die letzte Nacht im Hotel Plaza in New York verbracht hatte, vor dem die Fahnen fremder Nationen wehten und in dessen Telefonvermittlung man es gewohnt war, Auslandsgespräche zu vermitteln. Während der Sitzungsperiode der Vereinten Nationen hingen dort auch die Fahnen Saudi-Arabiens, des Iran und der Türkei, und Ferngespräche nach dem Nahen Osten waren nichts Ungewöhnliches. Von dort hätte Fasil bequem mit Beirut sprechen und ein paar gute Schützen nach New Orleans beordern können. Er hatte im Plaza gerade die Mitteilung verschlüsselt und war drauf und dran gewesen, das Gespräch anzumelden, als Dahlia ihn anrief und von Landers albernem Mißgeschick berichtete. Wütend hatte Fasil den Zettel zerrissen und die Schnipsel in der eleganten Toilette seines Apartments hinuntergespült.
Nun hockte er in diesem engen Zimmer in New Orleans, und der schöne Plan war ins Wasser gefallen. Es war höchste Zeit, das Terrain zu sondieren und sich etwas Neues einfallen zu lassen. Er kannte das Tulane-Stadion nicht. Er hatte sich in allen diesen Dingen auf Lander verlassen. Mißmutig verließ er das Hospiz und winkte einem Taxi.
Wie sollte er jetzt den Anschlag ausführen? Er hatte den Lastwagen, er hatte die Bombe. Und ein paar Killer konnte er immer noch herbeordern. Außerdem stand Dahlia Iyad ihm zur Verfügung, auch wenn Lander ausfiel. Bei dem Gedanken an Lander spuckte er aus.
Das Taxi bog in die Schnellstraße US 90 ein, die über die Innenstadt von New Orleans hinwegführt, und fuhr der sinkenden Sonne entgegen. Der Fahrer redete ununterbrochen und noch dazu in einem Dialekt, den Fasil kaum verstand.
»Diese faulen Kerle heutzutage wollen einfach nicht arbeiten. Sie wollen ihr Geld umsonst«, jammerte der Fahrer. »Früher, als ich noch Installateur war, ehe ich diese Rückengeschichte kriegte, hat mein Neffe, der Sohn von meiner Schwester, bei mir gearbeitet. Meistens trieb er sich irgendwo rum. Und als Installateur kann man nicht allein arbeiten. Wenn man zwischen den Leitungen herumkriecht, braucht man wen, der einem das Werkzeug zureicht. Deshalb hab ich’s ja auch im Rücken, weil ich mich immerzu verrenken mußte.«
Fasil wünschte, der Mann hätte endlich den Mund gehalten. Aber er hielt nicht den Mund. »Das da drüben wird das neue Superdome-Stadion. Das wird auch nie fertig. Erst sollte es 168 Millionen kosten, und jetzt kostet es schon 200 Millionen. Da soll Howard Hughes Geld drin haben. Scheiße! Erst haben die Monteure gestreikt, dann ...«
Fasil betrachtete das riesige, überdachte Stadion. Er sah, daß dort gearbeitet wurde, obwohl Feiertag war. Er sah winzige Gestalten auf dem Dach. Bei den ersten Planungen der Aktion hatte man gefürchtet, das Super Bowl-Spiel würde womöglich schon in dem neuen Stadion stattfinden. Dann hätte man das Luftschiff nicht einsetzen können. Allerdings klafften in dem Dach noch große Lücken.
Das Taxi wechselte auf die Überholspur, ohne daß der Fahrer seine Litanei unterbrach. »Eigentlich sollte das Super Bowl-Spiel dort stattfinden. Jetzt sind sie unheimlich an der Arbeit, weil die Leute von der Stadtverwaltung finden, daß es einen schlechten Eindruck macht, daß das Ding noch nicht fertig ist. Aber das kostet was. Überstunden.
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