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Schwarzer Sonntag

Schwarzer Sonntag

Titel: Schwarzer Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Über das Doppelte bezahlen sie den Leuten, damit sie die Feiertage durcharbeiten. Im Frühling ist es bestimmt fertig, sagen sie jetzt. Von den Überstundengeldern würde ich auch gern was kassieren.«
    Fasil war im Begriff, sich das Geschwätz zu verbitten, unterließ es aber. Der Fahrer würde sich an ihn erinnern, wenn er ihm grob kam.
    »Sie wissen ja, wie es in Houston mit dem Astrodome gegangen ist. Sie hatten schon mit den Oilers abgeschlossen, und jetzt müssen die im Rice-Stadion spielen. Und hier wollen sie nicht, daß es ihnen auch so geht. Mit den Saints, verstehen Sie? Alle sollen sehen, daß es vorangeht, sogar die Gewerkschaft spielt mit. Und deshalb wird hier auch über die Feiertage gearbeitet. Glauben Sie etwa, ich würde für zweieinhalbfachen Lohn nicht auch über Weihnachten und Neujahr arbeiten?«
    Das Taxi folgte jetzt der weiten Nordwestkurve der US 90, und der Fahrer schob seinen Augenschirm zurecht. Die Tulane University kam in Sicht. »Da drüben links, das ist das Ursulinerinnen-College. Vor welchem Eingang des Stadions soll ich halten - in der Willow Street?«
    »Bitte.«
    Der Anblick des großen rostiggrauen und bräunlichen Stadions faszinierte Fasil. Im Geist sah er die Fernsehbilder von München ablaufen.
    Das stählerne Stadion war gigantisch. Der Anblick erinnerte Fasil an einen Flugzeugträger. Fasil stieg aus dem Taxi. Seine Kamera knallte gegen die Tür.
    Der Südosteingang war geöffnet. Das Stadionpersonal traf die letzten Vorbereitungen für das Super Bowl-Spiel. Fasil hielt seine Pressekarte bereit und die Papiere, die er für den Flug zu den Azoren verwendet hatte, doch niemand hielt ihn an. Er warf einen Blick auf das düstere Trägergewirr unter den Tribünen, dann trat er auf das Spielfeld hinaus.
    Es war alles so riesig! Die Ausmaße erregten ihn. Der Kunstrasen war neu, die Markierungen strahlend weiß auf dem grellen Grün. Er trat auf den Rasen und überquerte das Feld. Er hatte das Gefühl, als gehe von den endlos aufsteigenden Reihen eine Bedrohung aus. Auch in einem leeren Stadion fühlt man sich beobachtet, wenn man über das Spielfeld geht. Er eilte zur Westseite und stieg hinauf zu den Presseplätzen.
    Als er von hier oben das Oval der T ribünen überblickte, dachte er an die ebenso geformte Sprengladung, und gegen seinen Willen bewunderte er Michael Landers Genie.
    Das Stadion öffnete sich unter dem Himmel wie die Lippen eines großen Mundes, passiv, abwartend. Der Gedanke an die 80985 Menschen, die sich auf diesen Tribünen drängen würden, erfüllte Fasil mit einem Gefühl, das an Wollust grenzte. Dies war die weiche, verwundbare Öffnung der Kriegstreiber.
    »Quss ummak«, zischte Fasil. Ein altes arabisches Schimpfwort: die »Vulva deiner Mutter«.
Er überdachte die verschiedenen Möglichkeiten. Jede Explosion im Stadion oder nahebei würde weltweites Aufsehen erregen. Die Tore waren nicht besonders stabil. Der Lastwagen würde wohl einen der vier Haupteingänge durchbrechen und bis aufs Spielfeld fahren können, bevor die Bombe gezündet wurde. Bestimmt würde es zahlreiche Opfer geben. Doch ein großer Teil der Sprengkraft würde nur einen riesigen Krater in die Erde reißen. Es würde auch nicht leicht sein, einen Lastwagen durch die engen, überfüllten Straßen zum Stadion zu fahren. Was war, wenn vor den Toren Katastropheneinsatzwagen parkten? Wenn der Präsident anwesend war, würden ganz gewiß bewaffnete Posten die Eingänge sichern. Und wenn der Fahrer erschossen wurde, bevor er Zeit hatte, die Ladung hochgehen zu lassen? Wer sollte den Wagen überhaupt fahren? Er gewiß nicht. Also Dahlia. Den nötigen Mut hatte sie, das stand fest. Danach würde er sie auf seiner Pressekonferenz im Libanon gebührend würdigen.
Mit einem Krankenwagen waren die Chancen besser. Der konnte mit heulender Sirene aufs Spielfeld fahren.
Aber das Gehäuse der Bombe war zu groß für einen normalen Krankenwagen, und der Lkw, in dem die Bombe jetzt unterwegs war, sah nicht im geringsten wie ein Rettungsfahrzeug aus. Er sah aus wie ein Fernsehwagen, aber ein Rettungswagen war besser. Also ein großer, geschlossener Kastenwagen. Man konnte ihn weiß spritzen und mit einem Roten Kreuz versehen. Nur schnell mußte es gehen. Ihm blieben nur noch vierzehn Tage.
Fasil, der oben auf der Tribüne stand und den Mantelkragen zum Schutz gegen den Wind hochgeschlagen hatte, fühlte sich bedrückt unter dem weiten, leeren Himmel. Von oben war es ein Kinderspiel, an das Stadion

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