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Schwarzer Sonntag

Schwarzer Sonntag

Titel: Schwarzer Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Nadscheer noch am Leben gewesen, hätte er es auch jetzt nicht gewagt. Fasil hatte den Plastiksprengstoff in Bengasi nur als Beauftragter von Nadscheer abgeholt, aber dort hatten sich alle Türen vor ihm geöffnet, als er den Codenamen ›Sofia‹ nannte, den Nadscheer für den Anschlag ausgesucht hatte. Diesen Codenamen hatte er auch in seinem Telegramm benutzt, und er hoffte, er würde wieder seine Wirkung tun.
Um 9 Uhr 35 klingelte es in seiner Zelle. Beim zweiten Klingeln war er am Apparat. »Hallo?«
»Ja, ich versuche Mrs. Yusuf zu erreichen.« Trotz der schlechten Verbindung erkannte Fasil die Stimme des libyschen Verbindungsoffiziers zur El-Fatah.
»Sie sprechen mit Sofia Yusuf.«
»Sprechen Sie.«
Fasil sprach rasch. Er wußte, der Libyer würde nicht lange am Apparat bleiben. »Ich brauche einen Piloten für einen Lastenhubschrauber vom Typ Sikorsky 8-58. Mit absoluter Priorität. In sechs Tagen muß er in New Orleans sein. Wiederverwendung nicht vorgesehen.« Fasil wußte, daß er beinahe Unmögliches verlangte. Er wußte aber auch, daß die El-Fatah in Bengasi und Tripolis immer auf Hilfe rechnen konnte. Bevor der Verbindungsoffizier Einwände machte, fuhr er rasch fort: »Der Sikorsky ist ein ähnlicher Typ wie die russischen Hubschrauber, die am Assuandamm benutzt wurden. Leiten Sie meine Anforderung an die höchste Stelle weiter. Die allerhöchste. Ich bin von Elf autorisiert.« ›Elf‹ war Hafez Nadscheer.
Die Stimme am anderen Ende klang so leise, als versuchte der Mann durchs Telefon zu flüstern. »Vielleicht haben wir einen solchen Mann nicht. Was Sie verlangen, ist schwierig. Sechs Tage sind dafür überhaupt nichts.«
»Wenn ich ihn nicht innerhalb von sechs Tagen bekomme, brauche ich ihn überhaupt nicht. Alles hängt davon ab. Ich muß ihn haben. Rufen Sie mich morgen um die gleiche Zeit unter der anderen Nummer wieder an. Die Priorität ist absolut.«
»Verstanden«, sagte die Stimme. Die Verbindung brach ab.
Fasil verließ munteren Schrittes den Terminal. Es war gefährlich, unmittelbar mit dem Nahen Osten Verbindung aufzunehmen, aber der Zeitmangel rechtfertigte das Wagnis. Ein solcher Pilot würde sich nicht so leicht finden lassen. Bei den Fedajin kannte er keinen. Einen Hubschrauber mit einer schweren Last zu fliegen war eine Kunst, und Piloten, die das konnten, wuchsen nicht auf Bäumen. Immerhin hatten die Libyer schon früher für den »Schwarzen September« alles getan, was sie konnten. Hoffentlich trieben sie einen geeigneten Piloten auf. Und hoffentlich bald.
Daß Fasil darauf bestanden hatte, der Pilot müsse innerhalb von sechs Tagen eintreffen, war nicht unbedingt notwendig gewesen. Das Super Bowl-Spiel sollte erst in zwei Wochen stattfinden. Aber es war notwendig, die Halterungen der Bombe auf den Hubschrauber umzurüsten, und dazu brauchte er Zeit und die Hilfe eines erfahrenen Piloten.
Fasil war sich über die Schwierigkeit, einen Piloten aufzutreiben, und das Risiko, das darin lag, ihn anzufordern, durchaus im klaren. Aber das Resultat das ihm vorschwebte, rechtfertigte in seinen Augen das Wagnis.
Wenn nun aber sein Telegramm, das sich so harmlos las, von den amerikanischen Behörden genauer unter die Lupe genommen würde? Und wenn sein Erzfeind, dieser Jude Kabakov, den Zahlencode, mit dem er die Telefonnummern verschlüsselt hatte, kannte? Das war sehr unwahrscheinlich. Trotzdem war ihm nicht wohl bei der Sache. Bestimmt wurde nach dem Plastiksprengstoff längst von den Behörden gefahndet. Aber was geplant war, konnten sie nicht wissen. Nichts deutete auf New Orleans hin.
Ob Lander wohl delirierte? Unsinn. Heutzutage lag man nicht mehr im Delirium, wenn man Fieber hatte. Aber Verrückte phantasierten manchmal, mit und auch ohne Fieber. Falls die Gefahr bestand, daß Lander etwas ausplauderte, würde Dahlia ihn töten.
    In Israel rollten zur gleichen Zeit Ereignisse ab, die Fasils Anforderung eines Piloten erheblich mehr Nachdruck verliehen als der Einfluß des verstorbenen Hafez Nadscheer. Auf einer Piste bei Jaffa kletterten vierzehn israelische Piloten in sieben Jagdbomber vom Typ Phantom F-4. Sie rollten an den Start. Die Hitze der Triebwerkgase ließ die Luft hinter ihnen flimmern. Paarweise stoben sie über die Betonbahn, hoben sich in steilem Flug in die Luft und jagten hinaus über das Mittelmeer, westwärts, Richtung Tobruk, jetzt schon mit doppelter Schallgeschwindigkeit.
    Es war ein Vergeltungsschlag. Noch qualmten in Rosh Pina die Trümmer eines Wohnhauses.

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