Schwarzer Sonntag
Es war zerstört worden von russischen Katjuscha-Raketen - einem Geschenk Libyens an die Fedajin. Diesmal sollten nicht die Stützpunkte der Fedajin in Syrien und im Libanon dafür bezahlen, diesmal sollten die Waffenlieferanten selber büßen.
39 Minuten nach dem Start machte der Verbandsführer den libyschen Frachter aus, genau in der vom Mossad angegebenen Position, 18 Meilen vor Tobruk, auf Ostkurs, schwer beladen mit Waffen für die Guerillas. Doch es galt, sich zu vergewissern. Vier Phantomjäger hielten die Höhe, um Schutz vor arabischen Jägern zu geben. Die drei anderen stießen nach unten. Die Leitmaschine, auf ein Tempo von 200 Meilen pro Stunde abgedrosselt, überflog den Frachter in 20 Meter Höhe. Kein Zweifel. Gleich darauf stürzten alle drei Maschinen heulend auf den Frachter herab, warfen ihre Bomben und zogen wieder steil nach oben. Kein Siegesgeheul in den Cockpits, als der Frachter in Flammen aufging. Auf dem Rückflug suchten die Israeli hoffnungsvoll den Himmel ab. Wären jetzt libysche MIGs aufgetaucht, wäre ihnen wohler zumute gewesen.
Der israelische Angriff löste im Revolutionären Kommandorat in Libyen einen Wutausbruch aus. Wer dort von dem in Amerika geplanten Anschlag eigentlich wußte, wird ein Geheimnis bleiben. Doch nun griffen die Räder ineinander.
Die Israelis hatten amerikanische Maschinen geflogen.
Die Israelis hatten erklärt: »Die Waffenlieferanten selber sollen büßen.«
So sollte es sein.
20
I CH HABE IHM GESAG t, er soll schlafen gehen, aber er sagt, er habe Befehl, Ihnen die Schachtel selber zu übergeben«, sagte Militärattaché Weisman auf dem Weg zum Konferenzraum in der israelischen Botschaft zu Kabakov.
Als Kabakov den Raum betrat, döste der junge Hauptmann in seinem Sessel vor sich hin, sprang jedoch sogleich auf.
»Hauptmann Reik. Hier das Paket aus Beirut.«
Am liebsten hätte Kabakov die Schachtel gleich aufgerissen. Aber Reik hatte schließlich eine lange Reise hinter sich. »Ich erinnere mich an Sie, Hauptmann Reik. Sie haben bei Qanaabe eine Batterie kommandiert.« Man schüttelte einander die Hand. Der jüngere fühlte sich sichtlich geschmeichelt.
Kabakov wandte sich der Kunststoffschachtel auf dem Tisch zu. Sie maß etwa 60 Zentimeter im Quadrat und war ungefähr 30 Zentimeter hoch. Und sie war verschnürt. In arabischen Schriftzeichen war auf den Deckel geschrieben: Persönlicher Nachlaß von Abu Ali, 18 Rue Verdun, verstorben. Akte Nr. 186047. Bis 23. Februar aufbewahren). Im Deckel war ein Einschußloch zu sehen.
»Unsere Leute in Tel Aviv haben alles geprüft«, sagte Reik. »Der Staub deutete darauf hin, daß die Schachtel längere Zeit nicht geöffnet wurde.«
Kabakov nahm den Deckel ab und breitete den Inhalt auf dem Tisch aus. Ein Wecker mit zerbrochenem Glas. Zwei Fläschchen Tabletten. Ein Bankbuch. Ein Magazin für eine Llama Automatic - Kabakov war überzeugt, daß die Pistole selbst gestohlen worden war -, ein leeres Etui für Manschettenknöpfe, ein verbogenes Brillengestell, ein paar Zeitschriften. Falls überhaupt etwas von Wert vorhanden gewesen war, hatte die Polizei es an sich genommen, und der Rest war noch einmal von der El-Fatah gesiebt worden. Kabakov war bitter enttäuscht. Er hatte gehofft, die krankhafte Geheimniskrämerei des »Schwarzen September« hätte sich ein einziges Mal gegen die Terroristen gekehrt und die Leute, die den Auftrag gehabt hatten, Abu Alis Hinterlassenschaft zu ›säubern‹, hätten nicht zwischen Wichtigem und Unwichtigem zu unterscheiden gewußt und vielleicht einen brauchbaren Hinweis übersehen. Er sah Reik an.
»Haben wir teuer dafür bezahlen müssen?«
»Yoffee hat eine Fleischwunde im Oberschenkel. Er läßt Ihnen bestellen, Major Kabakov, daß ...«
»Nur zu.«
»Er sagt, Sie schulden ihm eine Flasche Remy Martin und und nicht wieder solche Ziegenpisse wie in Kuneitra.«
»Aha.« Kabakov mußte gegen seinen Willen grinsen. Wenigstens hatte diese alberne Schachtel kein Menschenleben gefordert.
»Yoffee ging einfach rein«, berichtete Reik. »Er hatte irgendwelche komischen Beglaubigungen von einer saudiarabischen Anwaltsfirma. Er meinte, lieber brächte er gleich alles auf einmal hinter sich, als vorher den Schreiber zu schmieren. Er wollte nicht, daß die Gegenseite sich die Schachtel vielleicht noch einmal vornahm und daß man ihm einen Karton Müll andrehte. Also gab er dem Schreiber im Polizeipräsidium drei libanesische Pfund und verlangte die Schachtel. Der Schreiber holte sie
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