Schwarzer Sonntag
lachte leise und verabschiedete sich augenzwinkernd.
Dahlias Gesicht war gerötet, und ihre Augen glänzten, als sie vom Flugplatz zu Landers Haus fuhren.
Sie machte Lander von Anfang an klar, daß sie innerhalb des Hauses keinerlei Schauspiel von ihm erwartete. Und sie war auch sorgsam darauf bedacht, keinerlei Abneigung gegen ihn erkennen zu lassen. Ihr Körper war da, sie hatte ihn gebracht, weil es die Dinge erleichterte, schien ihre Haltung zum Ausdruck zu bringen. Physisch war sie Lander gegenüber auf eine so subtile Weise ehrerbietig und nachgiebig, daß er in seiner Sprache keinen Ausdruck dafür gewußt hätte. Und sie war sehr, sehr sanft.
In sachlichen Dingen war es völlig anders. Lander erkannte sehr bald, daß er sie mit seinen überlegenen technischen Kenntnissen nicht einschüchtern konnte. Er mußte ihr seinen Plan in allen Einzelheiten erklären, und jeden Ausdruck, den sie nicht verstand, mußte er genau definieren. Wenn sie anderer Meinung war als er, drehte es sich gewöhnlich um Methoden in der Behandlung von Menschen, und er stellte fest, daß sie eine kluge Menschenkennerin war und große Erfahrung besaß, was das Verhalten verängstigter Menschen unter Druck betraf. Aber selbst wenn sie bei einer Meinungsverschiedenheit unnachgiebig blieb, unterstrich sie ihren Standpunkt nie mit großen Gesten oder einem Gesichtsausdruck, der etwas anderes widerspiegelte als Konzentration.
In dieser Zeit, während sie die technischen Probleme - zumindest theoretisch - lösten, wurde Dahlia klar, daß die größte Gefahr, die dem Projekt drohte, in Landers Labilität lag. Er war wie eine großartige Maschine mit einem unberechenbaren Kind am Schalthebel. Ihre Rolle bestand in zunehmendem Maße darin, ihm Halt zu geben, ihm eine Stütze zu sein. Und hier konnte sie nicht immer alles genau berechnen. Oft mußte sie sich auf ihr Gefühl verlassen.
Im Laufe der Zeit fing er an, ihr gelegentlich von sich zu erzählen - harmlose Dinge zunächst, die ihn nicht schmerzten. Manchmal schimpfte er abends, wenn er etwas getrunken hatte, stundenlang über die Ungerechtigkeiten bei der Navy, bis sie schließlich nach Mitternacht in ihr Zimmer ging, während er fluchend vor dem Fernsehgerät sitzen blieb. Und dann bot er ihr eines Abends, als sie auf seinem Bettrand saß, wie ein Geschenk eine Geschichte aus seiner Kindheit dar. Er erzählte ihr, wie er zum erstenmal ein Luftschiff gesehen hatte.
Er war ein achtjähriger Junge, mit Impetigo an den Knien, und stand auf dem nackten Lehmboden des Spielplatzes einer Dorfschule. Plötzlich erblickte er am Himmel das Luftschiff.
Silbern, vor dem Winde drehend, schwebte es über dem Schulhof und verstreute winzige Gegenstände, die langsam herabsanken - bunte Zuckerstangen an kleinen Fallschirmen. Michael, der hinter dem Luftschiff herlief, konnte sich über die ganze Länge des Schulhofs hin in seinem Schatten halten. Die anderen Kinder rannten mit ihm und balgten sich um die Zukkerstangen. Schließlich kamen sie zu dem frisch gepflügten Feld, das an den Hof grenzte, und der Schatten, der sich jetzt wellenartig über die Furchen bewegte, glitt davon. Michael in seiner kurzen Hose fiel der Länge nach auf das Feld, und der Schorf platzte ihm von den Knien. Er stand wieder auf und sah dem Luftschiff nach, bis es seinem Blick entschwand. Mit den Fingern hielt er eine Zuckerstange und einen kleinen Fallschirm umklammert, und an den Beinen lief ihm in kleinen Rinnsalen das Blut herab.
Während er ihr gedankenverloren diese Geschichte erzählte, hatte Dahlia sich neben ihm auf dem Bett ausgestreckt und hörte ihm aufmerksam zu. Und er kam von seinem Spielplatz zu ihr, und auf seinem Gesicht lag noch das Staunen, das Glück jenes längst vergangenen Tages.
Danach verlor er seine Scham. Sie hatte seinen schrecklichen Wunsch gehört und ihn zu dem ihren gemacht. Sie hatte ihn mit ihrem Körper empfangen. Nicht voller einschüchternder Erwartungen, sondern mit einem reichen Maß an Güte. Sie fand nichts häßlich an ihm. Jetzt hatte er das Gefühl, daß er ihr alles sagen konnte, und es brach aus ihm hervor - all die Dinge, die er nie zuvor hatte erzählen können, selbst Margaret nicht. Vor allem Margaret nicht.
Dahlia hörte ihm voller Mitgefühl und mit besorgtem Interesse zu. Sie zeigte nie auch nur eine Spur von Abscheu oder Angst. Doch lernte sie, sich vor ihm in acht zu nehmen, wenn er über bestimmte Dinge sprach, denn er konnte plötzlich in seiner Wut über Kränkungen, die
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