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Schwarzer Sonntag

Schwarzer Sonntag

Titel: Schwarzer Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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durch ihren blöden alten Kopf schießen?«
»Nein! Nein! Lieber Herr Jesus, nein, das will ich nicht. Ich möchte, daß sie gesund und glücklich bleibt. Sie kann nichts dafür, daß sie so ist, wie sie ist. Und sie ist doch eine nette alte Dame. Sie ist ein guter Mensch. Vergib mir, daß ich so böse Gedanken gehabt habe.«
»Würdest du ihr gern mit dem Rasenmäher über ihr Gesicht fahren?«
»Nein, das möchte ich nicht, ich will es nicht! Lieber Herr Jesus, hilf mir, daß ich diese bösen Gedanken loswerde.«
»Zum Teufel mit dem Heiligen Geist.«
»Nein! Das darf ich nicht denken, das will ich nicht denken. Es ist eine Todsünde, die mir nicht vergeben wird. Ich will nicht denken ›zum Teufel mit dem Heiligen Geist‹. Oh, jetzt habe ich es schon wieder gedacht.«
Michael greift hinter sich, um den Schnapper der Fliegengittertür zu berühren, und legt betend die Stirn auf sein Knie. Dann konzentriert er sich mit aller Kraft auf den Rasenmäher. Er will mit der Reparatur so schnell wie möglich fertig werden. Er braucht Geld. Er spart, denn er will Fliegen lernen.
    Schon als Junge fühlte Lander sich von Maschinen magisch angezogen, und er ging sehr geschickt mit ihnen um. Aber zur Leidenschaft wurde diese Begabung erst, als er Maschinen entdeckte, die ihn einhüllten, die gewissermaßen sein zweiter Körper wurden. Wenn er sich in ihnen befand, war seine Tätigkeit für ihn die Tätigkeit der Maschine, und er sah nicht mehr den kleinen Schuljungen vor sich.
    Die erste war eine Piper Cub auf einer Graspiste. Wenn er am Steuerknüppel saß, sah er nichts mehr von Lander. Dann sah er nur noch, wie die kleine Maschine sich schräg legte, wie sie durchsackte, im Steilflug niederging, und ihre Gestalt war seine Gestalt, und ihre Anmut und Kraft waren seine Anmut und Kraft, und er spürte den Wind auf ihr, und er war frei.
    Mit sechzehn Jahren ging Lander zur Navy, und er kehrte nie wieder in sein Elternhaus zurück. Seine erste Bewerbung bei der Marineflieger-Schule wurde abgelehnt, und er diente den ganzen Korea-Krieg über auf dem Flugzeugträger Coral Sea, wo er ständig mit Bomben zu tun hatte. Auf einer Fotografie in seinem Album sieht man ihn, wie er mit einer Crew der Bordmannschaft an einem mit Splitterbomben beladenen Gestell vor der Tragfläche einer Corsair steht. Die anderen Männer lachen und haben sich gegenseitig die Arme um die Schultern gelegt. Lander lächelt nicht. Er hält einen Zünder in der Hand.
    Am 1. Juli 1953 erwachte Lander kurz nach Morgengrauen in der Kaserne in Lakehurst. Er war erst mitten in der Nacht dort angekommen, und er brauchte eine kalte Dusche, um richtig wach zu werden. Dann zog er sich sorgfältig an. Der Dienst bei der Navy hatte ihm gutgetan. Und die Uniform gefiel ihm. Ihm gefiel, wie er darin aussah, und ihm gefiel die Anonymität, die sie ihm verlieh. Er war tüchtig, und seine Leistungen wurden anerkannt. Heute sollte er sich zur Stelle melden und mit seiner neuen Aufgabe beginnen. Es ging dabei um Wasserbomben mit Wasserdruckzündern, die für U-Boot-Abwehr-Experimente präpariert wurden. Lander verstand etwas von solchen Dingen. Und wie viele Menschen mit einer tief wurzelnden inneren Unsicherheit hatte er eine Vorliebe für Waffentechnik.
    Als er durch den kühlen Morgen zum Arsenal der Navy ging, sah er sich neugierig um und betrachtete alles, was er bei seiner Ankunft in der Dunkelheit nicht gesehen hatte. Zu seiner Rechten lagen die riesigen Hangars für die Luftschiffe. Die Türen des am nächsten gelegenen öffneten sich gerade mit lautem Gerassel. Lander sah auf seine Uhr. Er hatte noch etwas Zeit. So blieb er auf dem Gehsteig stehen und wartete gespannt. Ganz langsam kam das Luftschiff heraus. Zuerst sah man nur die Nase, dann schließlich zeigte es sich in seiner ganzen Länge. Es war ein ZPG-1 mit einem Fassungsvermögen von annähernd 30000 Kubikmeter Helium. Lander hatte noch nie so nahe vor einem Luftschiff gestanden. Es war fast einhundert Meter lang, eine riesige silbrige Fläche, auf der die feuerroten Strahlen der Morgensonne funkelten. Lander eilte über das asphaltierte Vorfeld. Das Bodenpersonal verteilte sich unter dem Luftschiff. Einer der Backbordmotoren dröhnte auf, und ein blaues Rauchwölkchen hing hinter ihm in der Luft.
    Lander lag nicht daran, Luftschiffe mit Wasserbomben auszurüsten. Er wollte auch nicht als Bodentechniker an Luftschiffen arbeiten oder sie aus den Hangars herausrollen. Er sah nur eines: die Steuerung.
    Er

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