Schwarzer Sonntag
Gräser am Straßenrand flach. Und da brach plötzlich die Hölle los: die Nacht war voller rötlicher Blitze, und Kugeln zerrissen rings um ihn herum das Cockpit. Vom Blut seines Copiloten bespritzt, sank er, von einer Kugel getroffen, zur Seite. Der Helikopter schaukelte wie wild, und das letzte, was Lander wahrnahm, war der Geruch von brennendem Gummi.
Der Bambuskäfig war für ihn nicht lang genug, um sich darin ausstrecken zu können. Seine von einer Kugel zerschmetterte Hand schmerzte unerträglich. Immer wieder sank er in ein tiefes Delirium. Außer ein wenig Sulfonamidpuder aus einem alten französischen Verbandskasten hatten seine vietnamesischen Bewacher nichts, womit sie ihn behandeln konnten. Sie banden seine Hand flach auf ein dünnes Brett, das sie von einer Kiste abgerissen hatten. Das Pochen in der Wunde hörte nicht auf. Nach drei Tagen im Käfig mußte er den Marsch nach Norden in Richtung Hanoi antreten. Die kleinen, drahtigen Männer trieben ihn unbarmherzig vorwärts. Sie trugen lehmbeschmutzte schwarze Pyjamas, aber ihre Schnellfeuergewehre vom Typ AK-47 waren blank und sauber.
Im ersten Monat seiner Gefangenschaft in Hanoi trieben die
Schmerzen in seiner Hand ihn fast zum Wahnsinn. Er teilte die Zelle mit einem Air Force-Navigator, einem rücksichtsvollen und um ihn besorgten Biologielehrer, der Jergens hieß. Jergens legte feuchte Kompressen auf die zerfleischte Hand und gab sich Mühe, Lander so gut er konnte zu ermutigen. Aber Jergens war schon sehr lange in Gefangenschaft und war selbst sehr geschwächt und labil. Am 37. Tag nach Landers Ankunft in Hanoi hatte Jergens einen Punkt erreicht, wo er in der Zelle nicht mehr aufhören konnte zu schreien, und wurde schließlich abgeführt. Lander weinte, als er fort war.
In der fünften Woche kam eines Nachmittags ein junger vietnamesischer Arzt mit einer kleinen schwarzen Tasche in die Zelle. Lander schreckte vor ihm zurück. Er wurde von zwei Gefangenenwärtern gepackt und festgehalten. Der Arzt injizierte ihm ein starkes örtliches Betäubungsmittel in die Hand. Lander empfand sogleich Schmerzlinderung. Es war, als flute kühles Wasser über seine Wunde. In der darauffolgenden Stunde, solange er klar denken konnte, schlug man ihm ein Abkommen vor.
Man erklärte ihm, die medizinischen Möglichkeiten und Einrichtungen der Demokratischen Republik Vietnam reichten selbst für die Behandlung der eigenen Verwundeten nicht aus. Dennoch werde man ihm von einem Chirurgen die Hand operieren und zurechtflicken lassen und ihm schmerzlindernde Medikamente geben - vorausgesetzt, daß er ein Geständnis seiner Kriegsverbrechen unterschreibe. Lander war sich im klaren darüber, daß er, wenn die Wunde nicht bald behandelt wurde, die Hand und möglicherweise den ganzen Arm verlieren würde. Dann würde er nie wieder fliegen können. Er glaubte nicht, daß ein unter solchen Bedingungen unterschriebenes Geständnis in der Heimat als Verrat betrachtet werden würde. Und in jedem Fall war ihm seine Hand wichtiger als die gute Meinung anderer. Die Wirkung des Anästhetikums ließ bereits nach. Der Schmerz zuckte wieder seinen Arm hinauf. Er erklärte sich einverstanden.
Er war nicht vorbereitet auf das, was nun folgte. Als er das Lesepult erblickte und den Raum voller kriegsgefangener Amerikaner, die wie eine Schulklasse dasaßen, und als man ihm sagte, er müsse ihnen sein Geständnis vorlesen, erstarrte er.
Er wurde in einen Vorraum gestoßen. Eine kräftige Hand, die nach Fisch roch, legte sich fest über seinen Mund, und ein Wärter zerrte an seinen Mittelhandknochen. Er war nahe daran, das Bewußtsein zu verlieren. Er nickte heftig, verzweifelt bemüht, sich hinter der Hand über seinem Gesicht verständlich zu machen. Er bekam eine weitere Spritze. Dann band man die Hand unter seiner Jacke fest, so daß sie nicht zu sehen war.
Blinzelnd im grellen Scheinwerferlicht las er den Text vor. Die Filmkamera surrte.
In der vordersten Reihe saß ein Mann mit einem ledrigen, vernarbten Gesicht, das aussah wie der Kopf eines gerupften Falken. Es war Colonel Ralph DeJong, der ranghöchste amerikanische Offizier im Gefangenenlager. In den vier Jahren seiner Gefangenschaft hatte Colonel DeJong 258 Tage in Einzelhaft verbracht. Als Lander den Schluß seines Geständnisses verlas, sagte DeJong plötzlich mit lauter Stimme, so daß alle im Raum es hören konnten: »Das ist eine Lüge.«
Zwei Wachen stürzten sich auf den Colonel und zogen ihn hinaus. Lander mußte den
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