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Schwarzer Sonntag

Schwarzer Sonntag

Titel: Schwarzer Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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sah Lander fast nachdenklicher vor sich hin. Er durchdachte alle Möglichkeiten und wog die Risiken gegeneinander ab.
Das Patrouillenboot, das sich ihnen von der anderen Seite des Frachters her näherte, konnte ihn noch nicht sehen. Wahrscheinlich hatte der Anblick des beigedrehten Frachters die Neugier der Küstenwache erregt. Oder sie hatte einen Wink bekommen. Ein Patrouillenboot. Sechs befanden sich in diesen Gewässern, alle 27 Meter lang. Zwei Dieselmotoren, 1600 PS, Geschwindigkeit 20 Knoten, Radar, acht Mann Besatzung. Ein Maschinengewehr und ein Bordgeschütz, 81 mm. Einen Augenblick lang erwog Lander, den Frachter in Brand zu stecken und so das Fahrzeug der Küstenwache zu zwingen, anzuhalten und Hilfe zu leisten. Aber der Erste Offizier würde ein Riesengeschrei erheben, und dann war der Teufel los. Suchflugzeuge würden ausgesandt werden, einige von ihnen mit einem Infrarotgerät, das die Wärmestrahlung seiner Motoren ausmachen würde. Es wurde dunkel. Kein Mond während der nächsten fünf Stunden. Es war besser, es auf eine Verfolgungsjagd ankommen zu lassen.
Lander kehrte blitzartig in die Gegenwart zurück. Seine Überlegungen hatten nur Sekunden gedauert.
»Dahlia, mach den Reflektor fertig.« Er gab Vollgas und riß das große Boot in einer schäumenden Kurve vom Frachter weg. Er hielt auf die Küste zu, die vierzig Meilen entfernt war. Die Motoren dröhnten und Gischt flog über die Brücke, während sie durch die leichte Dünung schossen. Auch schwer beladen schaffte das starke Boot noch beinahe 19 Knoten. Das Patrouillenboot war etwas schneller. Lander würde so lange wie möglich den Frachter zwischen sich und dem Verfolger halten. Er schrie zu Fasil hinunter, der sich im Cockpit befand: »Hören Sie 2182 Kilohertz ab.« Das war die Internationale Seenotfrequenz und eine »Ruffrequenz«, die bei anfänglichen Kontakten zwischen Schiffen benutzt wurde.
Der Frachter lag jetzt genau achteraus, und während sie zurückblickten, tauchte das Patrouillenboot auf. Es war immer noch jenseits des Frachters, hatte aber kräftig Fahrt auf genommen und warf eine große Bugwelle auf. Lander sah, daß der Bug des Patrouillenboots leicht herüberdrehte. Das Boot hielt jetzt direkt auf ihn zu.
Fasil kam halb zur Brücke hochgeklettert und rief: »Sie fordern uns auf, beizudrehen.«
»Sie sollen mich am Arsch lecken. Gehen Sie auf die Frequenz der Küstenwache. Sie ist auf der Skala markiert. Wir wollen sehen, ob sie Hilfe anfordern.«
Mit gelöschten Positionslichtern raste das Boot auf den letzten Schimmer im Westen zu. Der elegante weiße Bug des ihnen nachhetzenden Patrouillenboots und seine Bugwelle schimmerten rötlich im Schein der untergehenden Sonne.
Dahlia hatte inzwischen den passiven Radarreflektor am Handlauf der Brücke festgeklemmt. Es war ein drachenförmiges Metallgestänge. Sie hatte es für 12 Dollar bei einem Schiffsausrüster gekauft. Es vibrierte und schwankte, während das Boot durch die Wellen stürmte.
Lander schickte sie hinunter, die Zurrings zu prüfen. Er wollte nicht, daß sich durch das Stampfen des Bootes irgend etwas löste.
Sie sah zuerst im Cockpit nach. Dann ging sie nach vorn zur Kajüte, wo Fasil mit gerunzelter Stirn vor dem Funkgerät saß.
»Noch nichts«, sagte er auf arabisch. »Wozu der Radarreflektor?«
»Die Küstenwache hätte uns ohnedies gesehen«, sagte Dahlia. Sie mußte ihm ins Ohr schreien, um in dem stampfenden Boot gehört zu werden. »Sobald der Kapitän des Patrouillenboots merkt, daß die Jagd bis in die Dunkelheit hinein dauert, wird er seinem Funkmeßmann Anweisungen geben, uns anzupeilen, solange es noch hell ist. Nach Einbruch der Dunkelheit kann er dann mühelos den Leuchtfleck identifizieren, den wir auf seinem Radarschirm machen.« Lander hatte ihr all das aufs eingehendste erklärt. »Durch den Reflektor ist es ein großer, dicker Leuchtfleck, der sich deutlich von der Interferenz der Wellen unterscheidet. Wir sehen auf dem Schirm aus wie ein Boot aus Metall.«
»Ist-«
»Hör zu«, sagte sie eindringlich und blickte in Richtung der Brücke über ihnen. »Du darfst dich mir gegenüber nicht vertraulich zeigen oder mich berühren, verstehst du? Du darfst in seiner Gegenwart nur Englisch sprechen. Komm in seinem Haus nie nach oben. Überrasch ihn nie. Um der Sache willen.«
Das Skalenlicht des Funkgeräts beleuchtete Fasils Gesicht von unten her, und seine Augen glühten in den dunklen Höhlen. »Also, um der Sache willen, Genossin Dahlia. Solange

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