Schwarzer Sonntag
schwierig werden konnte. Sie war entschlossen, keinen Streit aufkommen zu lassen. Trotz Fasils Einstellung Frauen gegenüber vertraute sie doch seiner Intelligenz und seiner Hingabe an die Sache. Und sie vertraute auch auf ihre eigene Willensstärke. Sie glaubte an das Verständnis und die Zuneigung, die sie mit Lander verbanden. Und sie glaubte an die fünfzig Milligramm Chlorpromazin in seinem Kaffee.
9
K ABAKOV KÄMPFTE sich ins Bewußtsein zurück, so wie ein Ertrinkender, der sich verzweifelt müht, wieder an die Oberfläche zu kommen. Er fühlte den brennenden Schmerz in seiner Brust, und er versuchte, die Hände an seine heiße Kehle zu heben, aber seine Hände steckten in einem Schraubstock. Ihm wurde klar, daß er in irgendeinem Krankenhaus lag. Er fühlte das ungebügelte Krankenhauslaken unter sich und nahm die undeutlichen Umrisse einer Gestalt an seinem Bett wahr. Er wollte die schmerzenden Augen nicht öffnen. Sein Wille hatte seinen Körper wieder in der Gewalt. Er wollte ausruhen. Er wollte nicht kämpfen, nicht bluten. Es war nicht das erste Mal, daß er in einem Krankenhaus wieder zu Bewußtsein kam.
Moschevsky, der Kabakovs Handgelenke umklammert hielt, lockerte seinen Griff und wandte sich dem Pfleger an der Tür zu. Er knurrte so sanft, wie er konnte: »Er kommt zu sich. Sagen Sie dem Arzt Bescheid. Schnell!«
Kabakov öffnete und schloß die rechte Hand, dann die linke. Er bewegte das rechte Bein, dann das linke. Moschevsky hätte fast vor Erleichterung gelächelt. Er wußte, was Kabakov tat: er machte Bestandsaufnahme. Moschevsky hatte bei mehreren Gelegenheiten das gleiche getan.
Minuten vergingen, in denen Kabakov zwischen dem Dunkel der Bewußtlosigkeit und dem Krankenhauszimmer hin und her trieb. Moschevsky wollte gerade leise fluchend zur Tür gehen, als endlich der Arzt mit einer Krankenschwester eintrat. Der Arzt war ein schlanker junger Mann mit langen Koteletten.
Er warf einen Blick auf das Krankenblatt, während die Schwester das Sauerstoffzelt öffnete und die Bettdecke abnahm, die wie ein Zelt an einem Metallrahmen hing, damit sie den Patienten nicht berührte. Der Arzt leuchtete Kabakov mit einer Kugelschreiberlampe in die Augen. Die Augen waren rot, und als Kabakov sie öffnete, fingen sie an zu tränen. Die Schwester gab Kabakov Augentropfen und schüttelte ein Thermometer herunter. Der Arzt horchte Kabakov ab.
Die Haut zitterte unter dem kalten Stethoskop, und der Arzt wurde durch das große Pflaster behindert, das die linke Seite des Brustkastens bedeckte. Der Arzt in der Notaufnahme hatte saubere Arbeit geleistet. Mit einer gewissen professionellen Neugier betrachtete der junge Arzt die vielen alten Narben an Kabakovs Körper. »Würden Sie bitte aus dem Licht gehen«, sagte er zu Moschevsky.
Moschevsky verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den andern und starrte schließlich in einer Art Rührt-euch-Stellung wie gebannt aus dem Fenster, bis die Untersuchung beendet war. Er folgte dem Arzt nach draußen.
Sam Corley wartete im Gang. »Nun?«
Der junge Arzt zog die Augenbrauen hoch und sagte leicht verärgert: »Ach ja. Sie sind der Mann vom FBI.« Er sagte es, als bestimme er eine Pflanze. »Er hat eine leichte Gehirnerschütterung. Das Röntgenbild sieht gut aus. Drei Rippen gebrochen. Verbrennungen zweiten Grades am linken Oberschenkel. Rachen und Lunge durch Raucheinwirkung mitgenommen. Ein geplatzter Blutleiter im Gehirn, wo man vielleicht eine Dränage anlegen muß. Heute nachmittag kommt ein HNO-Mann. Seine Augen und Ohren scheinen in Ordnung, aber ich nehme an, daß er noch Ohrensausen hat. Das ist aber ganz normal.«
»Sie wissen, daß der Krankenhausdirektor den Fall als ›sehr kritisch‹ bezeichnet hat?«
»Der Direktor kann ihn bezeichnen, wie er will. Ich würde seinen Zustand den Umständen entsprechend normal oder sogar recht gut nennen. Sein Körper ist erstaunlich widerstandsfähig, aber er hat ihm schon eine Menge zugemutet.«
»Aber Sie ...«
»Mr. Corley, von mir aus kann der Direktor bekanntgeben, daß der Patient schwanger ist. Ich werde ihm nicht widersprechen. Darf man fragen, wie die Sache passiert ist?«
»Ich glaube, ein Ofen ist explodiert.«
»Ja, dann muß es wohl so gewesen sein.« Der Arzt schniefte verächtlich und ging mit schnellen Schritten davon.
»Was ist ein HNO-Mann?« fragte Moschevsky.
»Ein Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. Übrigens, ich dachte, Sie sprechen nicht Englisch?«
»Schlecht, wenn
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