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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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ihr Haar war grau geworden.
    Wahrscheinlich werde ich ganz plötzlich alt.
    Das könnte passieren. Es passierte in Büchern.
    Die Leute bemerkten deine Jugend nicht, wenn sie dich ständig sahen, genauso wie die Veränderungen des Alterns hauptsächlich unmerklich vor sich gingen und nur in plötzlicher Erkenntnis offenbar wurden.
    » Wie alt bist du, du musst jetzt ungefähr achtundzwanzig sein«, hatte Jonquil im letzten Jahr gefragt, ohne eine Antwort zu erwarten.
    Das Kind hatte sich natürlich verändert.
    Ruth wuchs mit penibler Regelmäßigkeit aus all ihren Kleidern heraus. Sie hatte Brüste und zwei kleine Büstenhalter, die man mit der Hand waschen musste.
    Rachaela hatte Ruth über ihre Periode aufgeklärt; sie hatte sich zu ihr an den Tisch gesetzt, während Ruth malte, und sie gefragt, ob sie verstanden hätte. Rachaelas Mutter hatte ihr nichts erzählt, sondern ihr einfach nur ein sehr ernsthaftes Buch in die Hand gedrückt. Das Blut war mitten in der Nacht gekommen, und sie war trotzdem beunruhigt gewesen. Sie hatte ihre Mutter wecken und um Binden bitten müssen, und ihre Mutter war darüber ziemlich verärgert gewesen. Rachaela steckte die Binden in Ruths Gegenwart in deren Schubladen zwischen ihre Unterwäsche.
    Ruth zeigte weder Abscheu noch Aufregung. » Ich habe in der Schule davon gehört.«
    » Von den Lehrern?«
    » Von einem Mädchen.«
    » Sag mir, wenn es losgeht«, fühlte sich Rachaela zu sagen verpflichtet.
    » In Ordnung.«
    Wie sah Ruth unbekleidet aus? Rachaela hatte sie nie gesehen. Sie ging abends in Rock und Bluse ins Badezimmer und kam in einem baumwollenen Nachthemd wieder zum Vorschein.
    Rachaela schlief ebenfalls in einem Nachthemd. Ruths Schicklichkeit machte das irgendwie erforderlich.
    Die Badewanne war voll.
    Rachaela ließ zu, dass sich der Spiegel mit Dampf überzog, und stieg in das Wasser.
    » Hi, du bist spät dran«, tönte Jonquil fröhlich, als Rachaela den Laden betrat. » Hat dich dein Kind aufgehalten? Ist sie jetzt eigentlich schon in der höheren Schule?«
    » Nächstes Jahr, wenn sie elf wird.«
    » Ich schätze, du hast das schon alles genauestens geplant.«
    » Es hängt von einigen Tests ab«, sagte Rachaela abwesend. Sie war gewohnt, gelegentliche Fragen nach dem Kind zu beantworten, von dem Jonquil wahrscheinlich sowieso annahm, dass es gar nicht wirklich existierte.
    » Aha«, sagte Jonquil. » War sonst immer dieser olle Aufnahmetest, aber das ist jetzt ja alles anders. Du kannst dich sicher nicht mehr daran erinnern.«
    Rachaela machte Kaffee für sich, und für Jonquil Tee aus einem ihrer Kräuterteebeutel. Jonquil wuselte um sie herum. Als sie sich gesetzt hatten, stand Jonquil sofort wieder auf.
    » Du bist jetzt schon eine ganze Zeit hier, nicht wahr, Raech? Wie lange ist das jetzt? Fünf Jahre?«
    » Etwas länger.«
    » Denise auch. Arme alte Denise. Dieser verblödete, schreckliche Typ, mit dem sie zusammen ist. Ich hatte gehofft, dass er sie in Ruhe lassen würde, aber er weiß wahrscheinlich genau, was er an ihr hat.« Jonquil nahm einen Schluck von ihrem Tee und stieß dann ungestüm hervor: » Ich fürchte, wir werden schließen müssen.«
    Rachaela sah sie an. Das hatte von Anfang an in den Karten gestanden. Sie war nur überrascht, dass Isis sich so lange gehalten hatte.
    » Das tut mir leid«, sagte sie.
    » Yeah. Es ist eine Schande. Aber wir haben schon von Anfang an nicht sehr viel Aufsehen erregt. Verschlafenes altes Loch. Ich habe die Möglichkeit, mich mit einer Frauengruppe in der Nähe von Manchester zusammenzutun. Also wird es mir nicht allzu schlecht ergehen. Aber es bedeutet die Kündigung für Denise und dich. Wirst du zurechtkommen?«
    » Oh, ich werde etwas anderes finden.«
    » Irgendeinen Dienstbolzenjob. Oder du musst irgendeinem verdammten Mann in einem Büro nachwetzen.«
    » Wahrscheinlich.«
    » Ich wünschte, ich könnte etwas tun.«
    » Wie lange noch?«, fragte Rachaela.
    » Ende des Monats. Total mieses Timing. Weihnachten steht vor der Tür. Aber es wird dir etwas mehr Zeit mit dem Kind geben.«
    » Ja.«
    Erleichtert, dass ihre Bombe endlich geplatzt war, begann Jonquil in dem verlorenen kleinen Laden herumzuwandern und die Bücher zu überprüfen.
    Die Heißwasserrohre gurgelten wie schon seit zehn Jahren.
    Das bedeutete nicht das Ende der Welt. Dank Emmas jahrelanger Großzügigkeit hatte Rachaela etwas Geld auf die Seite legen können, und jetzt würde es einige Zinsen getragen haben, die sie eine Zeit lang

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