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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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des Fensters waren brennende Städte zu sehen, und Alice klapperte und wirbelte in einem komplizierten Muster mit ihren stählernen Nadeln.
    Hatte sie Alice schon einmal in diesem Raum aufgespürt? Außer Cheta, die ihr das Frühstück gebracht hatte, war ihr kein weiterer Scarabae begegnet. Bei zwei Türen, die sie gewaltsam aufzudrücken versucht hatte, stellte sich heraus, dass sie in die andere Richtung aufgingen und Schränke voller zusammengefalteter Bettwäsche waren.
    » Alice, wo ist Camillo?«
    Alice strickte.
    » Ich weiß nicht, Rachaela. Vielleicht solltest du es einmal in der Bibliothek versuchen.«
    » Das war Sylvian.«
    » Onkel Camillo geht jetzt dorthin. Oh, wir hatten immer so viele Bücher. Viele, viele Räume voll. Ich kann mich erinnern, wie Onkel Camillo mit uns spielte und plötzlich hinter den Stühlen hervorsprang.«
    Rachaela verließ Alice und bahnte sich ihren Weg durch das Haus zur Bibliothek. In dem Raum war niemand, doch auf dem Tisch standen der verstümmelte Globus, das Tintenfass und das Lineal.
    Rachaela betrachtete das Lineal. Es war aus glattem Ebenholz. Sie hatte gesehen, wie Camillo ein Skelett in seine Oberfläche geritzt hatte, doch es war verschwunden.
    Sie durchforstete die Bücher und betrachtete die durchgestrichenen Sätze. Sie fand ein Buch, in dem noch einzelne Wörter zu lesen waren. Nach langem Bemühen konnte sie den Satz entziffern, aus dem das Buch jetzt noch bestand: Wir sind vor ihnen geflohen.
    Die Bücher der Nordwand waren immer noch lesbar. Trotz des ominösen Lineals und Tintenfasses hatte niemand Sylvians Arbeit fortgesetzt.
    Rachaela verließ das Haus und lief zu den Stufen, die zum Strand hinunterführten.
    Türkisfarben schäumte die Flut.
    Sie wandte sich zurück zum Haus und nahm ihre Suche wieder auf. Er war der Älteste von ihnen. In seinem Geist lag die Wurzel aller Dinge verborgen. Sie konnte nicht zu Adamus gehen.
    Was Ruth wohl machte? Wahrscheinlich schlief sie noch. Sie schlief samstags und sonntags gerne länger. Manchmal war sie im Bett geblieben, um zu malen.
    Rachaela verirrte sich im Haus, als sei das eine unumgängliche Notwendigkeit. Sie traf auf eine weitere Tür, die sich nicht öffnen ließ und hämmerte laut dagegen. Als sie erneut auf die Klinke drückte, gab die Tür plötzlich nach, als hätte sie selbst beschlossen, Rachaela einzulassen.
    In einem hohen gelben Bett lag ein alter Mann, die Decke bis ans Kinn gezogen. Zwischen dem Bett und der Tür konnte man in dem ockerfarbenen Zimmer einen rot-weißen Fleck erkennen. Das Schaukelpferd.
    » Onkel Camillo?«
    Das runde, alte Gesicht wandte sich ihr zu, das lange, weiße Haar lag ausgebreitet auf dem Kissen wie ein Fächer.
    Auch vor den Absichten unter den Scarabae musste man sich in Acht nehmen. Sie wollte ihn finden, und hier war er.
    » Ich habe dich gesucht«, sagte Rachaela.
    Langsam trat sie näher. War er letztendlich in den vergangenen zwölf Jahren doch hier gelandet, auf dem Sofa des Alters und der Senilität?
    Der Raum roch nicht nach Krankheit.
    » Camillo«, wiederholte sie.
    Er sah sie an. Seine Augen waren klar.
    » Eines Nachts«, sagte er, » kam der Pöbel. Die Leute schrien vor dem Haus, und die Bediensteten rannten vor Angst zu meiner Mutter. Mein Vater nahm mich auf den Arm. › Zieh dich an ‹ , hat er gesagt, › zieh deine wärmsten Sachen an. ‹ Draußen stand der Schlitten bereit, man hatte das Pferd davorgespannt. Die Glöckchen hatten sie abgenommen. Mein Vater gebrauchte die Peitsche. Wir rasten in solch einer Geschwindigkeit dahin. Ich erinnere mich an den weißen Schnee, der wie eine Fontäne aufgewirbelt wurde.«
    » Ich will das nicht hören«, sagte Rachaela ruhig.
    » Der Pöbel war aufgehetzt worden«, sagte Camillo. » Die Leute rannten uns hinterher, und Steine flogen um den Schlitten. Meine Mutter weinte. Sie trug all ihre Juwelen und einen großen Pelzumhang über ihrem Nachtgewand. Wir lebten am Rande der Stadt. Männer mit Fackeln rannten vor uns auf den Weg, doch das Pferd preschte an ihnen vorüber. Ich war aufgeregt, zu jung, um zu verstehen, dass wir alles zurückgelassen hatten. Wir flohen hinaus in die weißen Wälder. Riesige Schneefontänen wirbelten hoch, und die Bäume sahen aus wie enorme weiße Kerzen, die im Mondlicht glühten. Ich bekam Angst, als ich mich an die Sagen erinnerte, die ich über die Wölfe gehört hatte, doch mein Vater brachte mich zum Schweigen. Er sagte: › Menschen muss man fürchten, nicht Wölfe. ‹

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