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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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praktisch.«
    » Ja. Es scheint, als hätte sie ein regelrecht natürliches Talent dafür.«
    » Zweifelsohne, Anna.« Rachaela zögerte. » Ich möchte mit dir sprechen.«
    Anna erhob sich, ganz die perfekte, taktvolle Gastgeberin.
    » Vielleicht möchtest du Ruths Zimmer sehen?«
    » In Ordnung.«
    Niemand beachtete ihren Fortgang. Die Scarabae scherten sich nicht mehr um Rachaela. Ihre Tage waren vorüber.
    Sie liefen vom Morgenzimmer aus über eine kurze Treppe in einen engen Korridor hinauf, der mit geschnitzten Pferdeköpfen geschmückt war. Rachaela konnte sich nicht erinnern, diesen Weg in der Vergangenheit schon einmal benutzt zu haben, aber das musste sie wohl, denn sie hatte damals mit Sicherheit das ganze Haus erforscht. An einer Abzweigung im Korridor entdeckte sie ein Bild, an das sie sich erinnerte, ein Schiff auf See, und unter den Wellen raste eine Kutsche aus einem früheren Bild dahin.
    Hinter dem Korridor kam ein Anbau mit zwei Fenstern – völlig schwarz, unmöglich, etwas darauf auszumachen – und dann eine einzelne Tür.
    Anna öffnete die Tür und bedeutete Rachaela weiterzugehen.
    » Es ist nur recht und billig. Du bist ihre Mutter.«
    Rachaela betrat einen Raum voller Blut.
    Er war knallrot gefärbt. Prägetapete an den Wänden, hier und da durchbrochen von einem modernen Bluterguss, ein feuerroter Teppich, das Himmelbett überzogen und beschirmt in der Farbe von Ruths samtigem Mund.
    Rachaela stand sprachlos.
    Rot. Das Blut der Menstruation und der Verlust der Jungfräulichkeit. Das Rot der Gebärmutter, die das Kind barg. Das Rot des Blutes, getrunken bei einem Festschmaus. Welches davon war es, oder war es eine Verbindung von allen?
    Der Raum hatte ein eigenes Fenster.
    Rachaela betrachtete es intensiv.
    Sie konnte eine entstellte Weihnachtsszene darauf erkennen. Der Lichtstrahl der Nachttischlampe offenbarte, dass das Kleid der Jungfrau eine karmesinrote Färbung hatte, während die Drei Weisen aus dem Morgenland die Köpfe von Tieren trugen: ein Pferd, eine Echse und eine Katze. In ihrer Nähe, fast nicht zu sehen, stand ein Esel mit dem bärtigen Kopf eines Mannes.
    » Euer Symbolismus ist stets zutiefst merkwürdig.«
    » Wir haben unsere eigene Lebensart, Rachaela. Dies war schon immer das Kinderzimmer für die Mädchen. Sie ist unsere Errettung, weißt du.«
    » Weil ein Mädchen Babys bekommen kann.«
    » Genau«, erwiderte Anna ungerührt.
    » Sie ist zu jung.«
    » Technisch gesehen natürlich nicht«, meinte Anna. » Ich bin jedoch ganz deiner Meinung. Wir sollten noch einige Jahre verstreichen lassen.«
    » Bis sie vierzehn oder fünfzehn ist?«
    » Ungefähr.«
    » Das ist in diesem Land nicht legal, Anna.«
    » Oh, dieses Land.« Anna lächelte.
    » Wir leben in unserem eigenen Land. In allen Ländern zugleich, und doch in gar keinem.«
    » Und wer soll der Zukünftige sein?«, fragte Rachaela. Sie schwitzte in den heißen Farben des Raumes.
    » Das weißt du«, antwortete Anna.
    » Natürlich. Großvater und Vater und Liebhaber. Das sollte selbst für euch inzestuös genug sein.«
    Anna senkte sittsam den Blick.
    » Das ist für uns der beste Weg.«
    » Und weiß Ruth, was ihr vorhabt?«
    » Ruth weiß und akzeptiert, dass sie für uns wichtig ist. Glücklicherweise ist es uns diesmal gelungen, sie schon in jungen Jahren bei uns aufzunehmen. Sie wird sich an uns und ihren Vater gewöhnen. Sie ist schon jetzt von ihm fasziniert, was mich keineswegs überrascht. Letztendlich wird ihr alles ganz natürlich erscheinen. Wir werden das Ganze mit einer kleinen Zeremonie begehen. Das wird Ruth helfen, besser zu verstehen, je älter sie wird.«
    » Nein, Anna«, wehrte Rachaela ab.
    » Es liegt nicht mehr in deiner Hand«, lautete Annas einziger Kommentar.
    » Es liegt sehr wohl in meiner Hand. Ich werde sie wegbringen.«
    » Selbst wenn du sie wegbrächtest, würde Ruth so schnell wie möglich zu uns zurückkehren. Ruth hat keine Schwierigkeiten, sich mit den Scarabae zu identifizieren.«
    » Das ist ekelerregend, Anna. Was damals geschehen ist, war schlimm genug, war verdorben genug. Aber das hier …«
    » Wie eifersüchtig du bist, Rachaela. Es tut mir leid für dich. Wenn du geblieben wärst, hättest du die Rolle der Ehefrau übernehmen dürfen. Doch du hast dich dagegen entschieden. All die Jahre mussten wir geduldig warten.«
    Eifersüchtig. Ja, das musste es sein. Es war nicht das ungewollte Kind, das sie beschützen wollte; sie konnte nicht ertragen, dass sich das Fleisch

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