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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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gestohlen.«
    Ruth tönte wie eine wohlerzogene und selbstsichere Schülerin: » Ich habe den Mann gefragt. Er kannte den Weg. Ich bin ganz allein mit dem Zug gefahren. Das war schön. Sie haben ein Auto zum Bahnhof geschickt.«
    » Und du bist durch den Wald die Anhöhe hinaufgelaufen«, sagte Rachaela.
    » Michael war da. Er hat mir den Weg gezeigt.«
    Sie hatte keine Angst, mit Rachaela zu sprechen. Sie war völlig ungehemmt. Als wäre das Ganze genauestens geplant gewesen. Rachaela betrachtete die merkwürdige Miniaturfrau, die aus ihrer Tochter geworden war. Sie sah nicht aus wie ein Kind, das sich verkleidet hatte, eher wie die Tochter einer mittelalterlichen Familie, stets gekleidet wie eine kleinere Ausgabe der Erwachsenen, mit elf oder zwölf Jahren schon eine Frau.
    » Komm und setz dich«, wiederholte Anna. Ihr Kleid blinkte mit seinen unzähligen Augen, und all die anderen Kleider, einschließlich Ruths.
    Rachaela trat an den Tisch. An seinem Ende lag ein Gedeck, genau gegenüber von Ruth, von der sie durch die ganze Länge des Tisches getrennt war. Als ob sie die Zeit ihrer Ankunft bis auf die Minute genau vorausgesehen hätten. Wahrscheinlich lag das alles schon seit Wochen bereit, vorbereitet direkt, nachdem Ruth aufgetaucht war.
    Rachaela setzte sich, und Cheta kam, um sie zu bedienen. Es gab Kaninchenauflauf.
    Rachaela aß vorsichtig, unsicher, ob ihr Magen eine solche Mahlzeit noch immer verkraften konnte.
    Ruth aß mit fein säuberlichen, heißhungrigen Bissen wie ein Spatz.
    Es gab dunkelroten Wein. Cheta goss ein Glas für Rachaela ein.
    Ruth hatte ebenfalls Wein bekommen, den sie in gierigen kleinen Schlucken trank.
    Keiner von ihnen hatte sich verändert. Diese Familie änderte sich nicht.
    Ruth glänzte in ihrer Mitte wie ein Juwel in einem Spinnennetz.
    Die Familie war erfreut. Eine Aura des Wohlwollens entströmte ihr.
    Sie hatten bekommen, was sie wollten. Und sie alle sonnten sich darin, die Scarabae, Ruth.
    Nur Camillo war abwesend. Und Adamus. Rachaela ließ ihre Mahlzeit unbeendet.
    » Vor ein paar Tagen«, sagte Ruth, » gab es Möwe. Jack hat sie gefunden.«
    Rachaela sagte: » Früher hat sie der Kater gejagt.«
    » Der Kater ist schon sehr alt«, erwiderte Anna. » Er verschläft den ganzen Tag und fast die ganze Nacht.«
    Also hatte sich doch etwas geändert. Der Kater hatte sich geändert.
    Maria brachte eine Erdbeertorte.
    Rachaela beobachtete, wie Ruth die Torte in ihren roten Mund schaufelte. Sie nahm sich noch eine zweite Portion, wie sie es auch schon beim Auflauf getan hatte. Richtige Hausmannskost, wie sie auch Emma zubereitet hatte.
    Rachaela erhob sich.
    » Entschuldigt mich bitte.« Sie nahm ihr Weinglas mit und beobachtete den Tisch von der anderen Seite des Zimmers aus. Es war einfach obszön, so zu tun, als wäre sie ein Teil des Ganzen.
    Wenn sie, Rachaela, als Kind oder Teenager entführt worden wäre, hätte sie sich dann von den Scarabae genauso angesprochen gefühlt wie Ruth?
    Das Mahl endete schließlich mit Käseplatte und Obstschale. Ruth griff auch hier wieder zu.
    Die Scarabae erhoben sich und liefen wie eine kollektive Kreatur, eine Art Amöbe mit Ruth als glühendem Herzstück, ins Wohnzimmer hinüber. Hier ließen sich die alten Männer und Frauen im Raum verstreut nieder. Sie nahmen ihre Strick- und Näharbeiten auf, lasen Bücher oder spielten Schach. Ein leises Murmeln drang aus ihren Kehlen, es klang, als machten sich haufenweise Insekten in dem Raum breit.
    Maria und Cheta servierten den Tee.
    Ruth stand in ihrem Fürstinnengewand vor dem abgeschirmten Kamin und trank Tee. Sie war der Mittelpunkt aller Blicke, die sich ständig hoben und auf sie richteten, und dann das alte Lächeln hervorbrachten, das die Lippen über die verfärbten, scharfen alten Zähne zog.
    Ruth stellte ihre Tasse und Untertasse neben die goldene Uhr, die nicht mehr funktionierte.
    » Soll ich jetzt nach oben gehen?«
    » Ja«, sagte Anna vom Sofa her. » Geh nach oben.«
    Rachaela betrachtete ihr Kind, das elegant vom Kamin wegschwirrte und mit den wohlbekannten, eiligen fuchshaften Bewegungen aus dem Raum eilte. Ihre Höflichkeitsbekundungen Rachaela gegenüber waren vorbei. Ruth gönnte ihr noch nicht einmal einen Blick.
    » Wohin geht sie, Anna?«, fragte Rachaela bestimmt.
    » In den Turm.«
    » Adamus’ Turm.«
    » Adamus bringt ihr das Klavierspiel bei, Rachaela.«
    Rachaela hielt den Atem an, das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie räusperte sich und sagte: » Wie

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