Schwarzer Tanz
Katers. Er war mager geworden im Alter. Man konnte den Schädel unter der Haut fühlen.
Also hatten sie den Kater nicht infiziert.
Nach der Tonleiter spielte Ruth einige einfache Stücke von Clementi. Adamus redete dabei leise auf sie ein. Er korrigierte sie niemals, während sie spielte, doch befahl er ihr manchmal danach, das Stück noch einmal zu probieren.
Rachaela lauschte den Geräuschen und der Musik des Klaviers, bis sie in eine Art Trance verfiel, in der nichts, was sie taten, mehr natürlich wirkte, als wäre ihre Beziehung eine ganz gewöhnliche, aber auch nicht wirklich.
Schließlich war die Lektion zu Ende.
» Spiel mir etwas vor«, bat Ruth. » Spiel das Stück von Chopin, das mir am besten gefällt.« Sie sprach den Namen wie Schopping aus, der kleine Scherz eines Kindes.
Adamus begann zu spielen.
Rachaela verkrampfte sich.
Als die Noten durch den Raum gewirbelt wurden wie silberne Dolche, betrachtete sie die beiden, ihren Liebhaber und sein Kind.
Ruth stand neben Adamus. Sie berührte ihn nicht. Sie starrte auf seine Hände mit den leicht gebogenen Fingern, wie schlanke Äste im Wind. Jetzt wirkte sie noch viel weniger wie ein Kind, in ihrem moosgrünen festlichen Gewand, und mit den Schildpattkämmen im Haar. Sie sah aus wie ein Geist, eine bösartige Fee, die Magd des Teufels an Adamus’ Schulter.
Rachaela fühlte, wie sie eine Welle des Zorns überkam.
Ja, ich bin eifersüchtig. Ich habe auch allen Grund dazu. Dort steht meine Nachfolgerin.
Als er aufhörte zu spielen, bat Ruth: » Und noch den Prokofjew.«
» Jetzt nicht, Ruth. Es ist genug für heute.«
Ruth protestierte nicht.
Sie wirbelte herum, kam zurück an den Kamin und ließ sich leise neben dem Kater nieder, um ihn am Kopf zu kraulen und zu streicheln.
» Ruth«, sagte Rachaela, » sag dem Kater gute Nacht, und geh dann wieder nach unten.«
» Ich werde hierbleiben«, widersprach Ruth.
» Nein. Heute nicht.«
Ruth blickte zu ihr auf. » Ich bleibe immer noch eine Stunde hier nach der Musik.«
» Ich habe gesagt, heute nicht.«
Würde Ruth ihr jetzt gehorchen? Sie hatte keinen Grund dazu. All die alten Regeln und Gesetze waren überholt.
Doch Ruth stand wirklich auf. » In Ordnung.«
Sie lief zu Adamus, der schweigend vor dem verstummten Klavier saß.
» Mami sagt, ich soll nach unten gehen.« Eine Pause, Zeit für einen Einwand, der jedoch nicht erfolgte.
» Gute Nacht.«
» Gute Nacht, Ruth.«
Ruth neigte sich vor und küsste den Mann auf die Wange. Dann verließ sie das Zimmer und lief die Treppe hinunter, ihr langes Kleid schleifte auf den Stufen hinter ihr her. Rachaela hörte, wie die untere Tür sich öffnete und wieder schloss.
Der Kater hob den Kopf, spitzte die Ohren und legte sich wieder zurück, um weiterzuschlafen.
» Es tut mir leid, dass ich dir den Abend verderbe.« Rachaelas Stimme klang zu hart. » Ich bin mir bewusst, dass du ihr noch viel zu erzählen hast.«
» Ich habe ihr nichts zu erzählen«, sagte er. » Ich bringe ihr Klavierspielen bei. Den Rest der Unterhaltung bestreitet Ruth ganz allein.«
» Willst du dich verteidigen?«, fragte Rachaela. » Das ist unmöglich.«
» Wirklich?«
» Das weißt du sehr gut.« Sie hielt inne und versuchte, ruhiger zu atmen. » Oder habe ich das Ganze missverstanden?«
» Wahrscheinlich nicht.«
» Kann es wahr sein, kann es wirklich wahr sein, dass du dich mit diesem Kind paaren sollst?«
» Paaren«, wiederholte er.
» Wie sollte man es sonst nennen? Irgendeine rituelle Angelegenheit, die in einem sexuellen Akt endet?«
» Zu guter Letzt. Anzunehmen.«
» Du bist ihr Vater.«
» Und ihr Großvater.« Er erhob sich und durchquerte den Raum. Er blieb vor ihr stehen und sah sie an, und die Lampe beleuchtete sein Gesicht, bis sie den Anblick fast nicht mehr ertragen konnte.
» Wir sollten nicht um den heißen Brei herumreden.«
» Das sollten wir wirklich nicht. Wie kannst du so einen schmutzigen, ekelhaften, lächerlichen Akt in Betracht ziehen?«
» Ich ziehe ihn nicht in Betracht. Es wird einfach irgendwann passieren.«
» So wie es mit uns passiert ist. Zumindest war ich schon eine erwachsene Frau.«
» Ruth wird ebenfalls eine erwachsene Frau sein. Sie werden warten, bis sie vierzehn oder fünfzehn ist.«
» Sie. Und was bist du, Adamus, etwa ihr Roboter? Hast du nichts dazu zu sagen? Bist du einfach nur eine Maschine?«
» Ein Teil des Scarabae’schen Mechanismus.«
» Ich glaube nicht, dass du das akzeptieren kannst.«
»
Weitere Kostenlose Bücher