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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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Raum.
    Das Fenster war bereits verdunkelt, man konnte nicht mehr erkennen, ob das Haupt des Löwen vom Hammer beschädigt worden war. Kerzen und Lampen beleuchteten das Mobiliar und die breite, schwarze Oberfläche des Klaviers mit seinen hellen Tasten.
    Neben dem dunklen, offenen Kamin lag der riesige Kater und schlief, ein Knochenhaufen unter einem Mantel aus Fell. Als sie eintraten, hob er seine müden Lider, und die verschwommenen Halbmonde seiner Augen betrachteten sie wie aus der Ferne.
    Ruth eilte sofort auf den Kater zu.
    Sie kniete sich nieder, umarmte ihn, rieb ihr Gesicht an dem großen Kopf, streichelte über das dichte Fell.
    Dann blickte sie zu dem Mann im Sessel hoch.
    » Hallo, Adam.«
    Sie klang kein bisschen schüchtern, noch nicht einmal kokett.
    Wirkte sie etwa besitzergreifend? Dieser mysteriöse Fremde, der ihr das Leben geschenkt hatte, und der, wie man ihr gesagt hatte, sich nichts aus ihr machen würde; jetzt hatte sie ihn vor sich, in all seiner überzeugenden Manneskraft. Gehörte ihr eine Stunde lang, oder für die Zeit, die sie eben während ihres allabendlichen Stelldicheins miteinander verbrachten.
    Er trug ein weißes Hemd. Das war etwas Neues, Rachaela hatte ihn nur in schwarzen Gewändern in Erinnerung. Oder nackt, nur von Haut umhüllt.
    Das lange Haar war zurückgebunden, genauso wie sie es kannte.
    Ruths Haar, so glatt, eine regelrechte Sturzflut.
    Er wandte sich nicht zu Rachaela um, hatte nur Augen für die Kindfrau, die vor ihm kniete.
    Also sah Rachaela nur sein Profil. Er war kein bisschen gealtert. Noch immer derselbe. Die düsteren Augen hafteten auf Ruth. Er hatte kein Lächeln für das Kind, sein Gesicht zeigte keinen Ausdruck.
    » Komm zum Klavier«, er erhob sich und durchquerte das Zimmer. Und Rachaela sah sein Gesicht, ein Gesicht, das sie vergessen hatte. Kein Wunder, dass ihr Verstand nicht in der Lage gewesen war, es heraufzubeschwören. Es war zu absolut, zu einzigartig, entbehrte jeglichen Vergleichs. Doch es gab eine Ähnlichkeit anderer Art. Denn plötzlich sah Rachaela, dass Ruth und Adamus völlig identische Züge trugen. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb Ruths Gesicht Rachaela nie gefallen hatte.
    Als Adamus auf das Klavier zuging, trafen seine Augen unweigerlich auf Rachaela. Sie fand seinen Blick unerträglich, doch sie konnte ihm nicht ausweichen, erschüttert, dass so viel von ihm noch in ihr verblieben war.
    In demselben Augenblick schoss Ruth vom Kamin hoch, lief ihm nach, und zupfte ihn am Ärmel.
    » Was soll ich spielen?«
    » Ich habe ein Stück von Mozart für dich herausgelegt. Versuch es.«
    Sie setzte sich ans Klavier, warf einen kurzen Blick auf die Noten und breitete ihre Hände über den Tasten aus. Sie fing an zu spielen. Sie ging dabei erstaunlich geschickt vor. Sie zögerte nicht, wurde nur ein- oder zweimal langsamer und starrte angestrengt auf die Noten. Sie verlieh dem Stück eine unheimliche, gemäßigte Qualität, vielleicht nicht ganz passend, und doch war es eine eigene Interpretation. Sie hatte in so kurzer Zeit so viel gelernt.
    » Das war sehr gut«, sagte er. » Aber du darfst nicht bluffen, wenn du dich in den Noten vertust. Du musst aufhören und es so spielen, wie es geschrieben wurde.«
    » Ja, Adam«, sagte Ruth.
    Jetzt lächelte sie zu ihm auf.
    Genauso hatte sie Emma angelächelt. Es war kein künstliches Lächeln, und doch wirkte es leicht kokett, als wäre sie sicher, das passende Publikum dafür gefunden zu haben.
    Und Adamus lächelte zurück, das kalte und ziemlich gleichgültige Lächeln eines Lehrers, der seiner gelehrsamen Schülerin pflichtbewusst etwas Freundlichkeit zukommen lässt.
    Rachaela atmete tief ein, als hätte sie während der letzten zehn Minuten die Luft angehalten. In ihrem Kopf rauschte das Blut. Sie zwang sich zum Sprechen.
    » Ruth ist schon sehr geübt nach so kurzer Zeit.«
    » Ja«, erwiderte er, so als hätten sie sich schon die ganze Zeit über unterhalten, als hätten sie jeden Tag während der letzten zwölf Jahre miteinander gesprochen, » es ist bemerkenswert. Aber ich war genauso. Das hat sie von mir.«
    » Ich bin dir ähnlich«, sagte Ruth.
    » Das will ich nicht hoffen«, sagte er.
    Ruth kicherte wie ein glückliches Kind über einen neuen Witz.
    » Spiel jetzt die Tonleiter«, befahl er.
    Und Ruth spielte die Tonleiter.
    Rachaela überließ die beiden selbst und setzte sich in einen der Sessel vor dem Kamin. Sie beugte sich vor und streichelte den Kopf des schlafenden

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