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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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wirkte er groß. Sie konnte nicht erkennen, was für Kleidung er trug; etwas Dunkles. Sein schwarzes Haar schien einzig als passender Rahmen für sein Gesicht zu fungieren. Das Gesicht selbst war ein Bildnis aus Licht und Schatten, die Konturen seines Gesichtes in scharfen Zügen auf die Haut gezeichnet. Er war nicht alt, vielleicht so alt wie sie. Seine Augen glichen jedoch nicht den Augen der anderen, sie blickten schwarz und starr, wie Seen aus dunkler Farbe.
    » Das ist mir egal«, sagte Rachaela mit Nachdruck, » ich will, dass du gehst. Sofort.«
    » Aber ich möchte dich betrachten. Ich musste fast dreißig Jahre darauf warten. Ich bin neugierig.«
    Sein Gesicht wirkte unglaublich vertraut. Es war ihr eigenes Gesicht.
    » Wer bist du? Einer der Scarabae?«
    » Der Letzte, abgesehen von dir.«
    » Du willst mir also weismachen, dass du mein Vater bist.«
    » Du hast rein gar nichts von deiner Mutter. Hat sie dir nie übelgenommen, dass du aussiehst wie ich?«
    Ungewollt erschien das Gesicht ihrer Mutter vor ihrem inneren Auge, der abschätzige Blick, die stets vorhandenen Feindseligkeiten.
    Eine Mutter, die nie vertraute, nie tröstete, und die stets nur Geschichten von düsteren Dingen erzählte, von dem Wolf, der das Haus der Schweinchen umblies …
    » Du bist viel zu jung, als dass du mein Vater sein könntest.«
    » Ich sehe jünger aus als ich bin. Ebenso wie du, Rachaela.«
    Er sprach ihren Namen aus, als würde er ihn auf dem Gaumen kosten wollen.
    Sie zog die Laken nicht hoch, um ihr Nachthemd zu bedecken, wich seinem Blick nicht aus.
    » Du musst verrückt sein«, sagte sie. » Verrückt, wenn du mein Vater bist, und verrückt, wenn du es nicht bist.«
    » Wo sonst könnte ich sein, wenn nicht hier?«, fragte er.
    Es blitzte erneut, und der Donner folgte sofort.
    Irgendein Luftzug oder eine Vibration löschte die Kerze, wie in einer der klischeehaftesten Romanerzählungen.
    In der pechschwarzen Dunkelheit hörte sie den Sessel flüstern, vernahm das Klappern der Tür, als sie sich öffnete.
    Und wieder schloss.

4
    Sie waren genauso gekleidet, wie sie es vorhergesehen hatte, mit langen Mänteln, Stiefeln, Schals und Handschuhen. Er trug einen schäbigen, alten Hut und sie ein Kopftuch in unpassend grellen Farben.
    Ihre Augen hatten sie unter dickrandigen Sonnenbrillen verborgen: angezogen wie für die Schweizer Alpen.
    Sie verharrten in Schweigen.
    Rachaela hatte sie, von Anna am Abend zuvor alarmiert, in der Küche aufgespürt.
    » Morgen werden Cheta und Carlo zu den Ferienhäusern gehen. Hast du deine Liste fertig? Sie werden früh aufbrechen.«
    Anstatt jedoch Cheta ihre Liste zu geben, war Rachaela persönlich um acht Uhr in der Küche erschienen. Sie hatte herausgefunden, wo sie lag, als sie die beiden durch den engen Flur, der von der Halle abführte, hasten sah.
    Carlo hatte sie inzwischen beim Unkrautzupfen im Garten kennengelernt. Der Garten war überaus fruchtbar und wucherte vor sich hin, egal zu welcher Jahreszeit.
    Er war ein großer, muskulöser, alter Mann, und dennoch sah er genauso aus wie alle anderen. Dasselbe Gesicht und die starren, verschleierten Augen von Michael, Cheta und Maria.
    » Ihr geht ins Dorf. Ich komme mit euch.«
    » Es ist ein langer Fußmarsch, Miss Rachaela.«
    » Ja, ich weiß. Neun Meilen, oder zehn.«
    Cheta warf Carlo einen kurzen Blick zu. Wie konnte sie ihr widersprechen, wenn sie darauf bestand?
    Seit einer Woche trainierte sie jetzt ihren Körper, hatte täglich weite Entfernungen an den Klippen entlang und über die Heide zurückgelegt. Sie war bis zu den entfernter liegenden Hügeln und zurück gewandert. Ein Marsch, von dem ihre jetzt aufgezogene und auf ihre geschätzte Weckzeit von sieben Uhr dreißig eingestellte Uhr behauptete, dass er drei Stunden gedauert hätte. Sie würde es mit Cheta und Carlos langem Fußmarsch aufnehmen können.
    Die Küche war riesig, voller Spülbecken, Regale und Pfannen; ein schwarzer Herd war zu sehen, der wahrscheinlich nie benutzt wurde, da an seiner Seite ein ältlicher Gaskocher kauerte. Gas war ins Haus gekommen und geblieben, jedoch nur in der Küche und in den Boilern im Badezimmer. Der Küchenboden war aus Stein, und der Holztisch auf seiner Mitte blank geschrubbt. An den Wänden waren ganz klar Mauselöcher zu sehen. Sie stellte sich den nächtlichen Raubzug der Mäuse vor, und wie die Nachtkatze über sie herfiel. Eine Vorratskammer ging von der Küche ab.
    Die geisterhaften Scarabae, die nicht diniert hatten,

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