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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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sich um und legte sich aufs Bett, badete jetzt einzig in der Musik. Sie dachte ernsthaft über das Haus nach. Während der Woche ihrer Spaziergänge im Freien hatte sie es in Frieden gelassen und nur ab und zu an der eisernen Tür zum Turm gerüttelt, lustlos, überzeugt, dass diese zugesperrt sein würde.
    Sie hatte die Gemälde im Korridor vor ihrem Zimmer etwas eingehender betrachtet und entdeckt, dass an manchen Stellen die obere Farbschicht abgeblättert war und darunter andere Bilder zum Vorschein kamen. Sie erinnerte sich an den Kopf des Ziegenbocks, der aus dem Frauenleib hervorlugte.
    Und sie hatte die Küche mit ihrem Gaskocher und ihren Mauselöchern gefunden.
    Sie dachte an den Sturm und den Traum von dem Mann. Sie bildete sich sehr oft ein, dass irgendetwas sie durchs Haus verfolgte. Auf der Heide verflüchtigte sich dieses Gefühl. Sie hielt es jetzt für eine Art Hysterie, da der sehr verrückte, sehr alte, alte Mann ihr weder gefolgt noch plötzlich vor ihr aufgetaucht war. Möglicherweise hatte er das Interesse an ihr verloren.
    Rachaela wurde allmählich schläfrig. Nun, sie würde bis zum Abendessen mit Anna und Stephan etwas ausruhen können. Das Dinner wollte sie auf keinen Fall versäumen. Sie wollte mit ihnen sprechen; mit Anna.
    Es wäre ein Leichtes, einfach vor sich hinzudösen, umherzuspazieren und die Zeit totzuschlagen, als wäre das alles, was von ihr verlangt wurde.
    Sie wusste jedoch, dass das nicht der Fall war. Irgendetwas erwartete man von ihr. Es musste so sein. Sie war wie das Opferlamm, gut genährt und versorgt, bis zum Tage seines rituellen Todes. War es so weit hergeholt, wenn sie bezweifelte, dass die Scarabae etwas mit ihr im Sinn hatten? Es war ihnen leicht zuzutrauen, ihre Pflege, ihre rituelle Schlachtung während einer vorherbestimmten Mondphase. Sie würden sie mit erbarmungslos festem Griff um Mitternacht schreiend über die Heide zerren, der starke Carlo und Cheta; und Sylvian mit dem riesigen Messer für die Kohlköpfe, das er so zaghaft hielt wie das ebenholzschwarze Lineal.
    Ein weiteres Wort, das es auszulöschen galt: Rachaela.
    Der Raum verschwand vor ihren Augen. Sie stand an einer Wegegabelung auf der Heide, nackt bis auf ihr wehendes Haar. Sie wartete, doch niemand erschien, bis auf den blauen Lieferwagen, und den fetten Mann, der anhielt und ihr fröhlich zurief: » Willst du mitfahren? Spring rein.«
    Stephan kam nicht, um zu dinieren, Anna erschien allein in ihrem langen, kohlschwarzen Gewand, ihre Stickarbeit hielt sie in der Hand. Michael servierte ihr den Fingerhut voll Granatrot, und für Rachaela brachte er ein Glas Weißwein.
    Es gab wieder Kaninchenpastete. Rachaela erinnerte sich an die Kaninchen, die sich an dem Heidekraut gütlich getan hatten. Es gab unzählig viele, eine Vorratskammer für die Scarabae. Wahrscheinlich war es Carlo, der sie jagte. Und doch hatte sie nie einen Schuss gehört.
    Sie saßen vor dem Kaminfeuer im Wohnzimmer. An den Wänden hingen obskure Spiegel, übermalte Gemälde und zugezogene Vorhänge, hinter denen sich fleckige Bilder aus Glas drängten.
    Die Figuren auf dem Schachbrett waren in Unordnung geraten, jemand hatte seine Wut an ihnen ausgelassen; die Königin lag auf dem Gesicht.
    Kerzen brannten und die gelben Lampen. War es nun gemütlich am Feuer oder makaber?
    » Anna, ich muss wirklich mit dir sprechen. Ich meine, ich hätte gern einige Antworten.«
    » Was immer ich für dich tun kann, Rachaela.« Anna sprach in gütigem Tonfall, wie immer.
    » Ich bin mit Carlo und Cheta ins Dorf gegangen.«
    » Du bist sehr tapfer. Aber ich kann sehen, dass der Marsch dich ermüdet hat.«
    » Das Dorf hat ziemlich tot ausgesehen. Und das öffentliche Telefon war zerstört.«
    » Herrje!« Anna stickte in aller Seelenruhe weiter.
    » Angenommen, man brauchte ein Telefon. Sollte nicht eines im Haus sein?«
    » All der Ärger, bis ein Telefon installiert ist«, meinte Anna. » Ich fürchte, wir sind auf unsere Art ziemlich festgefahren. Wir hassen Eindringlinge.«
    » Ich bin ein Eindringling.«
    » Du? Rachaela, du gehörst doch zu uns.«
    » Angenommen«, sagte Rachaela, » einer von euch wird krank.«
    » Wir sind niemals krank«, erwiderte Anna, » nur alt.«
    » Das allein wäre doch …«
    » Nein, Rachaela. Dieser Fall würde niemals eintreten. Wir sorgen selbst für uns.«
    » Und ich«, beharrte Rachaela, » wenn ich nun jemanden anrufen wollte.«
    » Es tut mir leid.«
    Anna blickte von ihrer Stickarbeit hoch. Ihre

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