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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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fragte Anna freundlich.
    » Sehr.« Völlig übermüdet, war sie nach ihrer Rückkehr im Licht des Fensters und zu Klängen von Verdi eingeschlafen.
    » Welcher Weg führt ins Dorf?«
    » Über die Heide. Aber es sind acht Meilen. Das ist sicher zu weit für dich?«
    » Vielleicht werde ich dafür trainieren. Das Laufen wird mir guttun.« Sie gingen hinüber ins Esszimmer, auf dem Tisch lagen drei Gedecke. Cheta und Maria trugen das Essen auf. Maria hatte sich von ihrem Schmerz erholt, der Explosion des Tageslichts aus dem Wintergarten.
    Es gab Spargelsuppe und dann ein Fleischgericht, Bratenscheiben in einer Sauce. Das Fleisch schmeckte seltsam fischig und war ziemlich sehnig.
    » Was ist das für Fleisch?«
    Anna blickte sie entgegenkommend an.
    » Seemöwe.« Und dann: » Ich hoffe doch sehr, dass dir das nichts ausmacht?«
    Rachaela hatte aufgehört zu essen und ihre Gabel beiseitegelegt. Möwe war auch nicht schlimmer als Kaninchen oder Lamm, aber es wirkte auf sie irgendwie anstößig. Sie wollte nichts mehr davon.
    » Ich fürchte, diese Vorstellung gefällt mir gar nicht«, meinte sie.
    » Unsere Gewohnheiten entspringen rein der Notwendigkeit.«
    Wer hatte diese Möwe erlegt und ihre Federn überall auf dem Boden verstreut? Sicher nicht die Katze, wie sie zuerst vermutet hatte.
    » Ja, das kann ich sehr gut verstehen. Aber ich möchte trotzdem lieber nichts mehr essen.«
    Es folgte eine Apfeltorte, und Anna drängte sie, zwei Portionen zu nehmen, was sie dankend ablehnte. Sie war spärliche Mahlzeiten gewohnt. Nach dem Abendessen unterhielten sie sich nicht. Stephan stierte ins Feuer, Anna stickte lange Blumengirlanden und Ranken aus grünen Blättern. Rachaela saß schweigend daneben und entschuldigte sich schließlich.
    Auf dem Korridor spürte sie eine prickelnde Unterströmung in der abgestandenen Luft. Irgendetwas war vorübergegangen oder verharrte noch in den Schatten. Sie ging zu der Tür, von der sie annahm, dass sie in den Turm führte, und drückte die Klinke herunter. Sie war immer noch verschlossen.
    Eine alte Frau in Purpur kam die Treppe herunter und ging mit einem kurzen Blick an ihr vorbei. Rachaela versuchte erst gar nicht zu erraten, ob sie ihr schon begegnet war. War es Livia, oder Unice? Würde sie überhaupt einen von ihnen wiedererkennen? Anna und Stephan, möglicherweise. Und Sylvian, den Zerstörer.
    Auf dem Flur im ersten Stock lag ein Geruch von Wärme, von etwas Lebendigem, doch nichts rührte sich. Auf der Schwelle lag keine Maus.
    Jenseits des verschlossenen Sarkophages, den dieses Haus darstellte, erhob sich der Wind, stöhnte um seine Ecken herum.
    Regen trommelte gegen das Fenster der Versuchung. Der kühle, stille Tag endete in einem Sturm. Rachaela stellte sich vor, wie der Regen in den Wintergarten, gegen die Doppeltüren an der Vorderseite des Hauses und durch jede Ritze, die für die Nacht geöffnet worden war, peitschte. Donner krachte gegen das Haus, als wolle er es abreißen. Das Gebäude erbebte. Rachaela öffnete die Augen und setzte sich auf. Hinter dem verdunkelten Fenster pulsierte und waberte der Regen, und der Wind und die See machten ein Geräusch wie von urzeitlichen Schreien und dem Einstürzen von riesigen Mauern in der Ferne.
    Die Luft knisterte wie elektrisiert, und auf ihr lag ein Schimmer wie unsichtbares Feuer.
    Rachaela wünschte sich, sie könnte den Sturm vom Fenster aus sehen. Sie saß aufrecht im Bett und wartete auf den Blitz. Er kam. Das Bild im Fenster erstrahlte in geisterhaftem Blau und Ockergelb; sekundenlang prägte es sich auf den Raum, auf Rachaelas weiße Arme und Gesicht.
    In einem Sessel auf der anderen Seite des Zimmers saß etwas und sah sie an. Das Licht war verschwunden. Hatte sie sich geirrt? War es eine Sinnestäuschung?
    Ganz langsam streckte sie die Hand nach den Streichhölzern und der Kerze auf dem Nachttisch aus. Sie musste dieses primitive Licht zum Leuchten bringen, um etwas sehen zu können.
    Rachaela entzündete das Streichholz.
    In dem Sessel saß ein Mann, Schwarz in der Dunkelheit, Blässe auf dem Schwarz.
    Onkel Camillo … Camillo, der Schelm war in ihr Zimmer eingedrungen.
    Ihre Finger wurden taub, sie hielt das Streichholz an die Kerze und nahm sie in die Hand. Ihr Schein durchdrang den Raum, und der Mann war wirklich da.
    Es war nicht Camillo.
    Er sagte: » Du magst Stürme.«
    » Ja, aber ich mag es nicht, wenn sich Fremde in mein Zimmer einschleichen.«
    » Ich bin kein Fremder, Rachaela.« Selbst im Sitzen

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