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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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scharfen Augen sagten: Du bist allein. Du hast niemanden. Rachaela ließ nicht locker. » Es verwirrt mich. Die Art, wie ihr hier lebt. Und wenn ich bleiben sollte, die Art, wie ich mit euch leben muss.«
    » Du musst schon entschuldigen, aber wir wissen so einiges von dir, Rachaela. Dein Mangel an gesellschaftlichen Kontakten, deine Art zu leben. Fast wie eine Eremitin.«
    » Ich hatte aber die Wahl.«
    » Wirklich? Hast du nicht außerdem die Wahl getroffen, mit uns zu leben?«
    » Nein«, sagte Rachaela. » Ich will ehrlich sein. Die Wahl hierherzukommen, wurde mir aufgezwungen. Und ihr habt mich gejagt, oder nicht?«
    » Oh, ja«, sagte Anna. » Das müssen wir zugeben.«
    » Ich habe dich schon einmal gefragt, und ich frage dich wieder. Warum?«
    » Du gehörst hierher. Zu uns.«
    » Dem kann ich nicht zustimmen«, log Rachaela. Anna lächelte leicht. Es war sinnlos, zu lügen.
    » Ich habe hier keinerlei Verantwortung. Keine Selbstständigkeit. Ich bin nur irgendeine Marionette. Das fühle ich. Ihr habt etwas mit mir vor.«
    » Nur um deiner selbst willen«, erwiderte Anna. » Begreifst du nicht, wie wertvoll du bist? Wir legen großen Wert auf Tradition. Wir schätzen das Ideal der Familie. Und du bist die Letzte von uns. Die allerletzte Blüte an unserem Baum.«
    Rachaela dachte an seine Worte in dem Traum: Der Letzte, bis auf dich.
    Die Kehle wurde ihr eng, doch sie sprach trotzdem weiter, etwas heiser: » Und der Letzte vor mir war mein Vater.«
    » Ja.«
    » Warum«, fragte Rachaela, » ist er dann nicht bei euch?«
    » Aber Rachaela, das ist er doch. Natürlich ist er das.«
    Rachaela dachte an die alten Männer im Haus, und ihr wurde das Herz schwer. Ihre Mutter hatte ihn immer als jungen Mann bezeichnet.
    » Hier. Dann habe ich ihn bestimmt schon kennengelernt.«
    » Dein Vater ist ein Einzelgänger, Rachaela. Genau wie du. Er lebt hier, und doch nicht im eigentlichen Sinn mit uns zusammen.« Anna legte ihre Stickerei beiseite. » Als er jünger war, etwa in deinem Alter, rannte er davon. Er rannte in die Welt hinaus, und wir ließen ihn ziehen. Es war der richtige Zeitpunkt. Und, dort draußen in der Welt, hat er dich geschaffen. Dann ist er zu uns zurückgekehrt.«
    » Aus freien Stücken?«
    » Nein, nicht ganz, er hat lediglich resigniert. Er wusste nicht, wohin. Ihr ärgert euch über die Abgeschiedenheit dieses Hauses, ihr beide. Und doch hasst ihr die Weite der Außenwelt, die Städte, die Menschen. Sie beleidigen eure Sinne. Das Leben beleidigt eure Sinne. Ihr seid Scarabae. Hier seid ihr sicher.«
    » Wo«, flüsterte Rachaela, und ihre Hände verkrampften sich ineinander, » wo ist er?«
    » Du hast schon mehrere Male an der Tür zum Turm gerüttelt. Dort ist er. Ich fürchte, du wirst die Stunde eures Treffens deinem Vater überlassen müssen. Du musst sehr aufgeregt sein, vielleicht sogar verärgert.«
    » Verärgert, ja.«
    » Das ist etwas, das du mit ihm ins Reine bringen musst. Du und er, ihr seid nicht wie der Rest von uns. Er wird zu dir kommen.«
    » Sag mir seinen Namen«, verlangte Rachaela. Ihre Mutter hatte den Namen ihres Vaters niemals ausgesprochen. Er war nur gesichtsloses Dunkel, Zorn.
    » Adamus«, sagte Anna. » Sein Name ist Adamus. Dieser Name ist sehr alt. Eine Familientradition.«
    Rachaela wollte den Namen nicht akzeptieren. Er klang in ihren Ohren nach, wie Musik aus einem anderen Raum.
    » Und er lebt im Turm. Streift er nachts im Haus herum?«
    » Was für eine scharfsinnige Frage. Früher hat er das getan. Er ist inzwischen ruhiger geworden.«
    Rachaela starrte ins Feuer. War es also doch ein Traum gewesen? Oder war es Wirklichkeit? Oder könnte es eine Vision gewesen sein? Der Mann im Traum war zu jung. Ihr Vater hatte › sie in der Welt »geschaffen « als er so alt war wie sie jetzt. Er musste also fast sechzig sein. Vom Alter gezeichnet, musste er dieselben Merkmale wie Sylvian, Peter und Camillo tragen.
    Rachaela fühlte sich außerstande noch mehr zu fragen. Das kurze Aufflackern ihres Widerstands war erstorben. Eine neue Flamme brannte in ihrem Inneren. Adamus. Der Name eines Heiligen oder Dämonen in einem geheimnisvollen Stück. Eingemauert in dem dunklen, abgeschlossenen Turm.
    » Ich werde zu Bett gehen, Anna«, sagte Rachaela. Anna lächelte, nahm ihr Strickzeug wieder auf und stickte Blutstropfen in eine Blüte.
    In der Nacht setzte sich Rachaela in den Sessel, in dem er gesessen hatte, in Wirklichkeit, nicht im Traum. Ihre Gedanken wollten nicht

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