Schwarzer Tanz
nur vage Andeutungen. Tagträume.
Sie wollte über die Dummheit des Fahrers lachen. Er wusste nichts. War ausgeschlossen.
Es spielte keine Rolle, dass sie in das Haus der Scarabae zurückkehrten. Was machte das schon? Nichts war wichtig, außer sich wieder seinem fordernden Mund zu ergeben.
Die Landschaft schlängelte sich vorüber.
Die Reise war so lang.
Doch sie erreichten das Haus oder besser gesagt, die Straße darunter, und als Adamus den Fahrer bezahlt hatte – kein Wort von einem Konto –, liefen sie im schattigen Licht des Nachmittags den Abhang hinauf, an den nassen, grünen Eichen vorüber; und das Haus tauchte vor ihnen auf. Und Rachaela wurde wieder nüchtern.
Da waren die Dächer, die Reihen der Fenster, die Kuppel des Turmes.
» Ich bin wieder hier«, sagte sie.
» Du warst einverstanden«, sagte er. Er versuchte nicht, sie zu berühren.
» Ja, ich war einverstanden.«
Ihr Körper hatte ihn vergessen. Die Wärme, das Frieren, das Schwindelgefühl der plötzlichen Begierde hatten sich verflüchtigt, und sie blickte nur noch ängstlich auf das Haus. Sie erreichten die Veranda und die Doppeltür.
Adamus benutzte einen Schlüssel – etwas so Gewöhnliches. Sie betraten die schachbrettgemusterte Halle, die still und verlassen dalag. Sie schien alles wie aus weiter Ferne zu sehen.
» Geh nicht«, sagte sie.
» Du musst Geduld haben«, erwiderte er, » genau wie ich. Die einzige Regel. Bei Nacht.«
» Es gibt keine Regeln. Das hast du mir gesagt.«
» Ja.«
Albern wie eine Braut in ihrer klischeehaften Hochzeitsnacht musste sie die passende Stunde abwarten. Sie wollte es nicht glauben. War es eine weitere seiner Grausamkeiten oder ein Test?
» Ich könnte meine Meinung ändern.«
Er stand vor ihr und sah sie an, und sie wurde zu ihm hingezogen, wie mit Ketten. Sie zwang sich zur Ruhe.
» Tu das nicht«, sagte er.
» Ich finde es albern und entwürdigend.«
» Das tut mir leid.«
» Ich hasse dieses Haus.«
» Nein. Geh in dein hübsches grünblaues Schlupfloch. Geh nach oben und warte auf mich.«
» Du bist ein Witzbold«, sagte sie säuerlich.
Er grinste sie an. Wie sein Lachen, das Grinsen eines kleinen Jungen. Konnte ein alter Mann noch so grinsen und lachen? Vielleicht wurde es normalerweise nur von der knittrigen Haut, den gelblichen Augen und Zähnen verborgen und entstellt.
» Du willst mich so sehr«, sagte er. » Ich bin froh.«
» Das wird vorübergehen.«
» Ich hoffe nicht. Vertrau mir. Heute Nacht.«
Sie wandte sich ab und stieg wie betäubt die Treppe hinauf. Hier war sie also, zurückgekehrt.
Ihr Zimmer war unverändert. Das Bett gemacht, die Oberflächen abgestaubt. Im Kleiderschrank hingen ihre Kleider, auf der Frisierkommode stand ihr Radio. Sie betrachtete ihre Sachen in stummer Verwunderung. Sie war benommen. Was war mit ihr in der Kirche geschehen – in einer Kirche – und mit ihm? Camillo hatte ihr gesagt, dass sie weglaufen und wieder zurückkommen würde. Aber sie hätte wenigstens bis London kommen müssen. Das Ganze war absurd.
Sie setzte sich in einen Sessel vor den Kamin. Das Feuer war zumindest nicht angezündet worden. Sie waren sich nicht sicher gewesen.
Sie lehnte sich im Sessel zurück, und er verflüchtigte sich aus ihrem Körper wie Alkohol. Es war wie der kurzzeitige Schwips nach dem Glas Essigwein. Er hatte länger gedauert, aber da hatte sie ihn noch berührt.
Sie hatte sich wirklich zum Narren gemacht. Sie hatte sich zur Rückkehr verführen lassen, und jetzt musste sie alles noch einmal machen.
Noch einmal … Küss mich noch einmal. Sie hatte so etwas gesagt.
Brennende Röte schoss aus der Tiefe ihrer Leisten in ihre Brust, ihre Kehle, ihr Gesicht.
Sie schämte sich ihrer Verlegenheit.
Doch sie war auch so müde. Sie hatte in dem kleinen Hotel so schlecht geschlafen.
Sie erhob sich und stellte das Radio an. Sofort füllte sich der Raum mit sanften Klängen. Wie sie das vermisst hatte! Sie legte sich aufs Bett, zog die Decke über sich, und der goldene Satan strahlte hinter ihren geschlossenen Augen. Sie fühlte sich wohlig und warm. Sie schlief ein.
Am Abend nahm sie ein Bad, zog ihren Rock und den neuen Pullover über und ging ins Esszimmer hinunter.
Sie war nicht sicher, was sie erwartete, doch einzig Anna und Stephan waren erschienen.
» Willkommen«, sagte Anna. » Wir sind so froh, dass du wieder da bist.«
» Ihr habt mich vermisst«, stellte Rachaela fest.
» Ja, natürlich. Wir haben dich alle vermisst.«
» Bis
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