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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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auf Sylvian.«
    » Äh, ja. Bis auf ihn.«
    » Ich bin weggelaufen«, sagte Rachaela. » Um diesen Pullover zu kaufen.«
    » Du hättest uns sagen sollen, dass du so schrecklich gern in die Stadt wolltest.«
    » Ich wollte schrecklich gern nach London.«
    » So weit weg. Kannst du deine Angelegenheiten nicht per Post erledigen? Cheta wird den Brief mit ins Dorf nehmen.«
    » Es war eine Flucht«, sagte Rachaela. » Wie ihr sehr wohl wisst.«
    » Möglicherweise.«
    » Ich bin weggelaufen wie Adamus, und Adamus hat mich zurückgebracht. Er hat mich mit einem väterlichen Kuss überredet.«
    Anna lächelte und senkte den Blick.
    Stephan summte eine kleine Melodie und rührte in seiner Suppe.
    Eins war sicher: Sie wussten es.
    » Ich verstehe euch nicht.«
    » Solange du dich bei uns wohlfühlst.«
    Die Stadt war grässlich gewesen. Die Menschenansammlungen, die Fehlinformationen und Falschheiten. Wie ein Alptraum. Das Haus war sicher. Es hatte seine eigene, irrsinnige Vernunft.
    Nein. Das Haus war der reine Wahnsinn. Nur die Außenwelt war echt.
    Nach der Suppe gab es einen Gemüseauflauf mit überbackenem Käse. Danach eine Stachelbeercreme.
    Rachaela aß hungrig. Das Essen war gehaltvoll und gut.
    Sie hatte ihre Lektion erhalten. Sie saß mit ihnen vor dem Kaminfeuer im Wohnzimmer.
    Alice und Unice schauten vorbei, nickten ihr kurz zu, setzten sich und strickten.
    Eric spazierte durch den Raum, er, der Möwenmann, mit einem Buch.
    Jack und Dorian erschienen und verschwanden.
    Es gab noch anderes Kommen und Gehen. Ein Flattern im Augenwinkel, das zweifelsohne Miriam, Sascha, Anita, Teresa, Miranda und Livia, George und Peter waren. Einmal kam Carlo mit Holzscheiten.
    Maria, Cheta und Michael hatten das Abendessen serviert.
    » Oh, Michael, in Miss Rachaelas Zimmer muss noch Feuer gemacht werden.«
    » Das ist schon erledigt worden, Miss Anna.« Ein Feuer. Dieser Luxus, diese Bequemlichkeit.
    Sie wollte ihn nicht mehr, diesen Mann. Sie wollte nur noch ein kleines Mädchen sein in diesem sicheren, wohltuenden Haus, mit den lieben, alten Omis und Opis und der großen Miezekatze, den Puppenstubenbettchen und all den hübschen Fensterlein. Bleib mir vom Leib, dachte sie.
    Nichts sollte dieses Wolkenkuckucksheim zerstören. Nichts so Weltliches wie Sex.
    Es war seltsam, dachte sie, als Unice strickte, Anna nähte, Alice ihr Muster überprüfte und der gute, alte Opi Stephan das Feuer betrachtete; seltsam, dass sie nie zuvor richtig Lust auf Sex empfunden hatte. Als wäre sie davon unberührt. Es war nichts für sie gewesen. Sie würde nicht an die Küsse vor den weißen Augen der Jungfrau denken.
    » Michael«, sagte sie. » Ich hätte gerne noch ein Glas Wein.«
    All die alten Großeltern in dem Raum strahlten sie an. Sie war ihr Lieblingsenkelchen.
    Sie sollte die Familientradition aufrechterhalten. Sie sollte mit ihrem eigenen Vater schlafen.
    Sie zog sich aus und schlüpfte nackt unter die Decke. Nach der Turmuhr war es fast eins, also ungefähr halb elf.
    Früh zu Bett. Die schüchterne Braut in der Hochzeitsnacht.
    Sie hatte die Tür abgeschlossen. Es war ein Zeichen. Ein notwendiges Zeichen. Schließlich besaß er Schlüssel zu jeder Tür des Hauses.
    Vielleicht würde er sie bis Mitternacht warten lassen.
    Sie versuchte nicht daran zu denken, was passieren würde. Sie konnte es sich ausmalen, war abwechselnd verwirrt, erregt und wütend. Sogar belustigt.
    Sie hatte sein Gesicht gesehen, als er die Tasten des Klaviers liebkost hatte.
    Im Radio kam ein Hörspiel. Sie hatte es ausgeschaltet. Andere Dramen konnten sie nicht fesseln. Eine Stunde verstrich. Auf dem Kaminsims brannte eine einsame Lampe.
    Sie hörte das Atmen der See. Niemand war auf dem Korridor vorübergegangen. Das Haus murmelte, seine Balken knackten, die Fenster knisterten in ihren Rahmen.
    Natürlich. Er würde nicht an ihre Tür kommen. Die Nacht würde ohne ihn kommen und gehen.
    Rachaela machte ein Geräusch, ihre Kehle und ihr Körper wehrten sich, ein Protest, den ihr Gehirn weder befohlen noch gestattet hatte. Die Klinke an ihrer Tür wurde heruntergedrückt. Die Tür öffnete sich. Draußen war es dunkel, und wie gewöhnlich strömte die Dunkelheit mit ihm herein, in seinen Haaren, seiner Kleidung. Er schloss die Tür und verriegelte sie erneut. Er stand vor ihr und blickte sie an.
    Sein Gesicht verriet keinerlei Regung, nichts, was sie als Zuneigung interpretieren konnte, noch nicht einmal Verlangen. Es war das Gesicht eines Hohepriesters im

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