Schwarzer Tanz
Arzt?«
» Oh«, stöhnte Rachaela. » Kein Arzt, kein Krankenhaus.«
» Was?«
» Ich war bei niemandem. Das hat nur in deiner hübschen, kleinen Fantasie existiert, Emma. Niemand weiß etwas.«
» Aber, mein Gott, mein Gott«, sagte Emma. Panik überkam sie, doch dann bekam sie sich wieder in den Griff.
» Egal. Ich rufe einen Krankenwagen.«
Rachaela beobachtete sie lächelnd. Sie nahm einen Schluck Wein, doch der kam sofort wieder hoch. Diesmal schaffte sie es nicht bis ins Badezimmer.
» Trink das nicht«, sagte Emma hinter einem weißen Nebelschleier.
» Nimm meine Hand. So. Sie werden gleich hier sein.« Der Schmerz kam und begrub sie unter sich. » Mein Gott«, sagte Emma, » hoffentlich beeilen die sich. Halt dich einfach nur fest. Halt durch, mein Liebling. Alles wird gut.«
» Jetzt pressen«, sagte jemand, die Stimme irgendeiner Wahnsinnigen. » Ja, so ist es gut. Pressen. Braves Mädchen.«
Sprachen die mit ihr, diese Verrückten?
Sie lag auf einem scharlachroten Strand, und Onkel Camillo beugte sich über sie. Er zerrte einen karmesinroten Gegenstand aus ihrer Gebärmutter. Sie fühlte, wie er aus ihrem Leib entschwand, als wäre ihr Körper ausgehöhlt worden.
Das war also die Abtreibung. Die Schmerzen waren entsetzlich. Viel schlimmer, als das Mädchen behauptet hatte.
» Nur noch einmal. Pressen.«
Sie konnte nicht pressen. Was sollte das überhaupt bedeuten?
Ein angsteinflößender Rhythmus wie das Galoppieren unzähliger Pferde – und dann nichts mehr. Es war so still.
Da war so viel Licht, doch es wurde immer dunkler.
» Sie können sich jetzt ausruhen.«
Wer waren diese Leute? So viele von ihnen drängten sich in einer weißen Hecke um sie herum. War sie auf der Straße gestürzt?
Die Schmerzen hatten aufgehört. Da war ein anderer Schmerz, doch der war sehr langsam und ebbte allmählich ab.
Irgendetwas schrie wie ein ungezähmtes Tier in der Wildnis.
Es lebte.
Sie hatten das Ding aus ihr herausgeholt, und es lebte. Es gab Geräusche von sich, schrecklich und unmenschlich. Wie durch ein Objektiv sah sie ein weißes Baby, das kopfüber an einem Nagel aus Licht hing. Eine einsame, blutrote Schleife zeichnete sich glänzend auf seinem Rücken ab.
» Ein Mädchen. Sehen Sie? Sie ist perfekt.«
Emma Watt saß an ihrem Bett. Ihre Augen glänzten hell in ihrem leicht geröteten Gesicht. Sie hatte rosa Rosen und eine Flasche Apfelsaft mitgebracht, und Trauben und Süßigkeiten in bunten Papierchen.
» Du musst dir um nichts Sorgen machen, Rachaela.« Sie musste ihren Namen von einer der Krankenschwestern erfahren haben. » Ich habe für alles gesorgt. Alles. Um das Finanzielle können wir uns später kümmern, aber deswegen sollst du dir auch keine Sorgen machen. Es ist wirklich nicht wichtig. Ich habe mehr als genug, mein alter Liebling hat dafür gesorgt, dass ich bequem leben kann. Und ich weiß, na ja … reden wir jetzt nicht davon. Die Babykleidung ist natürlich rosa. Das ist das Gute daran, dass wir vorher nichts gekauft haben.« Emma zögerte. » Sie werden bald kommen, nicht wahr?«
» Ja.«
» Ich kann es gar nicht erwarten, sie wiederzusehen. Oh, Rachaela, fühlst du dich nicht herrlich? Ein prächtiges, kleines Mädchen.«
» Ich fühle überhaupt nichts.«
» Nun ja, das kann vorkommen. Hast du ihnen gesagt, wie du dich fühlst?«
» Das geht sie nichts an.«
» Aber Rachaela, natürlich. Sie können dir helfen, damit du dich besser fühlst.«
» Ich fühle mich prima.«
» Aber du hast doch gesagt …«
» Emma, ich habe es dir gesagt. Ich wollte dieses … Baby … nicht.«
» Aber jetzt ist sie da. Und sie gehört dir.«
» Ja.«
» Möchtest du«, begann Emma vorsichtig, » dass er …«
» Nein. Es interessiert ihn genauso wenig wie mich.«
Emma sah zu Boden. Nach einem Moment fragte sie, » Hattest du schon mehr Glück damit, sie zu füttern?«
» Glück? Du meinst, ob ich ihr schon die Brust geben kann? Nein. Augenscheinlich habe ich nicht genug Milch.« Rachaela kämpfte ihre Abscheu nieder. » Ich finde es widerwärtig. Mit der Flasche ist es schon schlimm genug.«
» Es tut mir so leid«, sagte Emma.
» Emma, du warst mehr als freundlich, aber du verstehst das einfach nicht.«
» Nein. Auch das tut mir leid.«
» Ist schon in Ordnung. Ich kann nichts dagegen machen. Das akzeptiere ich.«
All diese Monate des Anschwellens, die Schmerzen und das Gewicht, und dann so zu tun, als würde es nicht existieren. Und doch war es angekommen. Und
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