Schwarzer Tanz
Abenden würde Emma das Kind auch behalten.
Jonquil führte Rachaela in der Buchhandlung herum. Alle Bücher waren von Frauen geschrieben.
» Du hast also ein Kind? Das Schwein hat dich verlassen, schätze ich. Mach dir nichts draus. Sie ist ein Mädchen. Sie hat vielleicht eine Chance, die Dinge verändern sich.«
Manchmal starrten Männer in Regenmänteln zum Schaufenster herein, als wollten sie sich etwas beweisen. Doch gewöhnlich betrat niemand den Laden.
Rachaela saß am Ladentisch, machte sich Kaffee und las. In der Mittagspause schloss sie das Geschäft für eine Stunde oder länger, und um halb sechs war Ladenschluss.
Jonquil schaute alle paar Tage einmal vorbei.
Donnerstags und samstags arbeitete Rachaela mit Denise zusammen. Denise war eine Abtrünnige. Sie lebte mit ihrem Freund zusammen, dem sie ihre meiste Zeit und Energie widmete. Sie gestand, dass sie nichts Rotes anziehen durfte, weil Keith die Farbe an ihr nicht gefiel.
» Sag Keith, er soll sich verkrümeln«, kommentierte Jonquil.
Beide glaubten, alles über Rachaelas Leben zu wissen, also stellten sie ihr auch nicht viele Fragen.
Wenn Rachaela sich morgens verspätete, war niemand da, der es merkte. Eines Morgens war Jonquil vor ihr angekommen.
» Das Baby hat dich aufgehalten«, meinte Jonquil. » Macht nix.«
» Sie kann laufen«, verkündete Emma mit rosigen Wangen. » Wirklich. Ich weiß, du bist gerade erst heimgekommen, aber das musst du sehen. Ich mache uns Tee. Eigentlich müssten wir Champagner trinken.«
Emmas Wohnung war das reinste Chaos.
Zu den fetten Chintzsesseln mit ihrem Sofa, dem zweiten Sofa, das man in ein Bett verwandeln konnte, den Uhren, Ornamenten, alten Puppen und einer Unmenge Fotos, den frischen Blumen und bunten Briefbeschwerern aus Glas gesellten sich jetzt noch der Kinderwagen und ein Laufstall, die überall verstreuten, flauschigen Spielsachen, ein riesiger Teddybär und das Baby.
Das Baby wollte für Rachaela nicht laufen.
Sie weigerte sich strikt.
Ihre glatten, schwarzen Augen blickten abwesend und unschuldig. Sie saß auf dem Boden.
» Oh, du freches Ding«, Emma hob sie hoch und knuddelte sie. » Du schlimmes Würstchen. Willst es Mami nicht zeigen?«
Und Ruth lachte, so wie sie es bei Emma oft tat. » Es tut mir leid. Sie ist wirklich gelaufen. Ich habe es mir nicht eingebildet.«
» Nun, ich schätze, sie wird es sowieso irgendwann zwangsläufig tun. Laufen, meine ich. Und sprechen.«
» Sie sollte eigentlich jetzt schon ein paar Wörter können. Oh, ich will damit nicht sagen, dass etwas nicht stimmt. Pauline war auch ein Spätzünder. Es kommt ganz auf das Temperament an.«
» Sie spricht nicht, weil es nicht nötig ist«, sagte Rachaela. » Du liest ihr wie durch Telepathie jeden Wunsch von den Augen ab.«
» Wirklich? Tu ich das, Würstchen?«, fragte Emma das kichernde Baby.
Wenn sein Gesicht sich zu einem Lachen verzog, sah es sehr alt aus. Alt wie die Scarabae.
Rachaela stellte den Kessel auf und machte Tee für Emma und für sich eine Tasse Kaffee. Sie war inzwischen mit Emmas Wohnung vertraut.
» Du solltest«, sagte Emma weich, » mehr Zeit mit ihr verbringen. Oh, Rachaela, du verpasst das Beste.«
» Wird sie dir lästig? Soll ich sie dir abnehmen?«
» Rachaela, du weißt, dass dem nicht so ist. Ich liebe sie.« Emma drückte Ruth fest an sich, beschützerisch, besitzergreifend. » Ich meinte doch nur …«
» Es interessiert mich nicht.«
» Oh Rachaela, das kannst du doch gar nicht wissen. Du hast es noch nicht einmal versucht.«
» Ich musste sie austragen. Ich musste sie gebären. Das war genug.«
» Wenn ich dir nur zeigen könnte, wie wundervoll es ist.«
» Wenn ich das sehen könnte, Emma, dann würde ich mich genauso an sie klammern wie du. Du würdest sie nicht mehr zu Gesicht bekommen. Und wir wären jetzt nicht hier.«
Emma wurde weiß. Ihr Gesicht war ganz zerknittert, doch mit einiger Mühe bekam sie es wieder glatt. Sie schluckte.
» Ja. Du hast absolut Recht, natürlich.«
» Wenn ich Babys lieben würde.«
» Wenn du Ruth lieben würdest, hätte ich mich nicht … Ich hätte mich niemals so um Ruth kümmern können.«
» Und du liebst sie wirklich.«
» Ja, das tue ich.«
» Also ist es doch ein Glück«, endete Rachaela mitleidlos. » Glück für mich, und Glück für dich.«
» Ja«, sagte Emma.
Sie nahm Platz und setzte Ruth auf den Boden zu ihren Spielsachen und ihrer weichen Decke.
Emma betrachtete Ruth.
Rachaela trank ihren Kaffee
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