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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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ihr letzter Eindruck von dem Restaurant. Emma Watt sprang aus ihrer Tür wie der Kuckuck aus der Uhr.
    » Ich habe eine Flasche wirklich guten Sherry gekauft und auch etwas Wein. Wollen Sie nach unten kommen und einen Drink mit mir nehmen? Um auf meinen kleinen Baum anzustoßen. Ich habe immer einen. Weihnachten ist so wichtig, es ist wichtig, es in Ehren zu halten, selbst wenn, nun, selbst wenn man alleine ist. Fahren Sie weg über Weihnachten?«
    » Nein.«
    » Also ein ruhiges, einsames Fest. Ja, Sie brauchen wirklich Ruhe. Trotzdem, kommen Sie runter! Gegen sechs?«
    » In Ordnung«, sagte Rachaela, damit sie endlich die Klappe hielt.
    Rachaela hatte sich um Weihnachten noch nie Gedanken gemacht. Es war immer nur ein weiterer freier Tag gewesen. Sie hörte in der Ferne Glocken läuten und vernahm die seltsame Stille der Straßen. Das Radio spielte Weihnachtsmusik, die sie oft nicht mochte, riesige Oratorien und pseudoreligiöse, merkwürdige Hörspiele. Einmal hatte sie aus Neugierde einem Weihnachtsgottesdienst gelauscht. Sie kannte die Lieder aus der Schulzeit, zumindest die Melodien.
    Ihre Mutter hatte ebenfalls geglaubt, dass man Weihnachten feierlich begehen sollte. Ein Abendessen wurde zubereitet, Truthahn oder Hähnchen mit Würsten, geröstete Kartoffeln und Füllung. Das Ganze war zumeist in denselben Streit und Ärger ausgeartet wie die gelegentlichen Sonntagsessen: Rachaela wurde dazu abgestellt, Gemüse zu schälen und in Unmengen Rosenkohl Kreuze einzuritzen. Einmal hatte sich ihre Mutter zu Weihnachten am Truthahnfett verbrannt.
    Nachbarn kamen auf einen Drink, Pralinenschachteln und Taschentücher wurden ausgetauscht. Nach den Nachbarn und dem Essen und der Ansprache der Königin überfiel sie wegen des fetten Essens und der Gin Tonics jedes Mal eine Depression.
    Ihre Mutter überreichte Rachaela praktische Geschenke, eine neue Bluse oder Schuhe, die drückten. Einmal hatte sie von einem Nachbarn ein Feenkostüm bekommen, und Rachaela hatte stundenlang darin gespielt. Sie war sechs, und es barg eine seltsame Magie. Doch irgendwie waren dann die Flügel zerrissen, wie ein Symbol, und ihre Mutter hatte sie geschimpft und damit zutiefst beschämt.
    Rachaela wollte nicht nach unten gehen, um auf Emma Watts Baum anzustoßen. Bis jetzt hatte sie Emma Watts Wohnung gemieden.
    Rachaela saß in komfortabler Trübsal mit dem Rücken in den Polstern vor ihrem elektrischen Feuer und nippte an einem Glas Wein. Ihr Rücken tat entsetzlich weh, und sie hatte auch drei Schmerztabletten geschluckt. Trotz der Pein schlief sie ein.
    Sie wurde von kurzen, kleinen Schlägen gegen ihre Tür geweckt: Emma Watt.
    » Verflucht.«
    Das Beste war, sie ging zur Tür und erzählte ihr, dass sie sich nicht wohlfühlte und nicht kommen konnte, früh zu Bett und so weiter. Denn wenn sie keine Antwort erhielt, wurde Emma Watt ängstlich und klopfte und rief; das war schon vorgekommen.
    Als Rachaela aufstand, schien zwischen ihrer Wirbelsäule und ihrem Bauch irgendetwas zu zerreißen. Sie blieb verwirrt stehen, erwartete ein Nachspiel, doch nichts geschah. Sie erreichte die Tür und öffnete sie.
    » Sind Sie in Ordnung?«, fragte Emma Watt. » Oh, meine Liebe, Sie sehen furchtbar aus.«
    » Ja. Ich glaube, es ist besser, wenn ich nicht runterkomme«, sagte Rachaela.
    Ein Schmerz, schlimmer als Zahnweh, riss an ihren Eingeweiden.
    Sie fühlte sich benommen.
    » Was ist denn?«, fragte Emma.
    » Nur ein Schmerz.«
    » Was für ein Schmerz?«
    Rachaela beschrieb es ihr wie betäubt. Sie musste sich am Türrahmen festhalten. Zum ersten Mal seit Monaten, wurde ihr wieder schrecklich übel.
    » Entschuldigen Sie mich, ich muss ins Badezimmer.«
    Sie schaffte es. Ihr Körper entleerte seine sämtlichen Kammern. Sie kam zitternd heraus, und Emma Watt war natürlich immer noch da; sie stand in der Mitte des Zimmers.
    » Meine Liebe«, sagte sie, » ich glaube es hat angefangen.«
    » Was hat angefangen?«
    » Sie bekommen Ihr Baby. Oh, haben Sie keine Angst. Es wird bald vorbei sein, und dann beginnt der wundervolle Teil.«
    Rachaela setzte sich. Der Schmerz kam erneut, zerrte an ihren hohlen Eingeweiden und wrang ihren Körper wie einen nassen Lappen aus.
    » Müssen Sie so dumm sein?«
    Emma schenkte dem keine Beachtung.
    » Sagen Sie, was Sie wollen«, sagte sie. » Beschimpfen Sie mich. Ich weiß, dass dieser Teil nicht besonders schön ist. Ich werde für Sie anrufen. Das Krankenhaus … ist es St. Mary’s? Wie heißt Ihr

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