Schwarzer Tanz
jeweiliges Für und Wider zu überprüfen, hatte vorgeschlagen, überredet, bis Rachaela schließlich, um des lieben Friedens willen, ihre Zustimmung gab.
Es hörte sich an wie ein Scarabae’scher Name. Es war unvermeidlich, biblisch. Ruth, Tochter des Adamus.
» Dir muss doch die Decke auf den Kopf fallen, wenn du den ganzen Tag so eingesperrt bist«, sagte Emma, als sie den Wagen durch den schneidenden Wind schoben. » Ich weiß, wie das ist. Meine Älteste ist mit ihrem Richard fast wahnsinnig geworden. Sie hat mich immer angerufen, nur um die Stimme eines Erwachsenen zu hören, der schon sprechen konnte.«
Rachaela schubste den Kinderwagen zwischen den kahlen Bäumen hindurch.
» Wenn du also ein bisschen alleine ausgehen willst, und wenn du mir vertraust«, sagte Emma, » dann kann ich mich ja in der Zeit um Ruth kümmern.«
» Danke«, antwortete Rachaela. » Aber was ich wirklich brauche, ist ein Job. Das Geld ist bald aufgebraucht.«
» Aber du kannst doch Unterstützung bekommen, Rachaela, und die musst du auch in Anspruch nehmen.«
» Ja.«
» Es ist naiv, wenn du versuchst, allein zurechtzukommen.« Rachaela hatte Emma das Geld für die Unmassen an rosa Kleidchen, Deckchen und Spielsachen, den Kinderwagen und das Bettchen immer noch nicht zurückgezahlt. Emma hatte ihr mehrmals versichert, dass sie das Geld nicht wollte. Ruth war Bezahlung genug. Ihr » Anteil « an Ruth. Sie hatten eine stillschweigende Übereinkunft getroffen: Emma nahm sich immer mehr von Ruth; und Rachaela war nur allzu gern bereit, ihr immer ein bisschen mehr zu geben.
» Ich brauche Raum zum Denken«, sagte Rachaela.
» Dann gib sie mir. Wie ich schon sagte, wenn du mir vertraust … Ich werde mich um sie kümmern, wenn du wieder arbeiten willst. Nur, wenn du sicher bist …«
» Ja. Ich komme nicht sehr gut mit … ihr … zurecht. Du machst das fantastisch«, fügte sie kalt hinzu, eine bedeutungslose Schmeichelei.
Doch Emma erblühte in dem winterlichen Park.
» Na ja, ich hatte ja auch schon drei. Und ich habe mich ein wenig um Pauline gekümmert, als sie noch klein war, nur um mich wieder daran zu erinnern. Sie ist so lieb, Rachaela. Du weißt, dass ich gut für sie sorgen werde.«
Sie hatte die neue Buchhandlung, die in der Hauptstraße eröffnet worden war, schon zuvor gesehen. » Isis Bücher « . Feministische Literatur und schlanke Romane standen im Schaufenster aufgereiht. Das Ganze machte schon jetzt einen so schäbigen und staubigen Eindruck, dass es sie sofort an Mr. Gerard in der Lizard Street erinnerte. Sie trat ein und kaufte eine Romanreihe auf Chinapapier, deren Prosa ihr ebenso zusagte wie die Hitze und der Staub und die zimtartigen Gerüche aus einem anderen Ort.
Ein weiches, kraushaariges Mädchen stand an der Kasse.
» Ich bin auf der Suche nach Arbeit. Ich habe in einer Buchhandlung gearbeitet, bevor ich mein Baby bekam.«
» Oh, ein Baby«, sagte die Verkäuferin. Frauen waren die Mütter, sie standen unter dem Schutz von Isis.
» Brauchen Sie vielleicht eine zusätzliche Kraft?«
Zuerst waren in dem Laden drei Mädchen und eine Frau gewesen, jetzt war nur noch diese eine übrig geblieben.
» Teilzeit?«
» Nein, Vollzeit.«
» Nun, mit Ihrem Baby.«
» Eine Freundin kümmert sich um sie.«
» Oh, ist es ein Mädchen? Wie nett.« Die Kraushaarige gab Rachaela ihr Wechselgeld, korrekt. Es war keine elektronische Ladenkasse. » Sie werden mit Jonquil reden müssen. Sie ist heute nicht da, doch morgen früh wird sie hier sein. Warum kommen Sie nicht vorbei und sprechen mit ihr?«
Am nächsten Morgen kehrte Rachaela zurück und ließ Ruth in ihrem Laufstall in Emmas voller Wohnung.
Jonquil kam aus dem Hinterzimmer. Sie war ungefähr siebenunddreißig, groß und mager. Fransige Haare mit grauen Strähnen. Sie trug Jeans und einen übergroßen Pullover, Cowboystiefel, einen Ohrring aus rostfreiem Stahl.
» O.k., sicher kann ich Ihnen einen Job geben. Aber der Verdienst ist nicht sehr hoch, das kann ich mir nämlich nicht leisten.« Ihre Augen waren von wässrigem Grau, ihr Gesicht wettergegerbt. » Hier geht es um Frauen. Wenn es hilft, dann ist es gut. Wir stellen keine Männer ein.«
Die Bezahlung war wirklich sehr niedrig. Aber es war Geld. Und Emma würde sich um das Kind kümmern. Das Kind würde den ganzen Tag bei Emma verbringen. Emma war gerade fachmännisch dabei, es zu entwöhnen. Nachts würde das Kind in demselben Zimmer wie Rachaela schlafen, das war alles. An manchen
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