Schwarzer Tanz
haben werden, weil Sie es wollen.«
» Das stimmt nicht«, sagte Rachaela. » Ich will es nicht.«
Und wünschte, sie hätte nichts gesagt.
Emma Watt blickte nicht schockiert, nur unendlich traurig.
» Aber das ist ja entsetzlich. Warum …«
» Ich war beim falschen Arzt.«
» Sie armes Ding. Aber hätten Sie denn nicht … Nein, ich schätze nicht. Und jetzt müssen Sie sich damit abfinden. Vermutlich ist es am besten so. Wenn Ihr Baby erst da ist, werden Sie froh sein! Es ist etwas so Schönes! Ich habe es immer geliebt. Wenn sie klein sind … und wie sie dann wachsen. Und ich liebe sie, ich liebe meine Kinder. Es ist nur schade, dass sie so weit weg wohnen. Ich sehe sie kaum. Sie rufen mich natürlich immer an, aber das ist keine richtige Entschädigung. Sie haben immer solche Angst, dass ich nicht alleine zurechtkomme, nachdem ihr Vater gestorben ist. Ich muss ihnen beweisen, dass ich es schaffe.« Emma lächelte tapfer, stolz über diese Fassade, die sie aufrechterhielt. Ihre Augen waren feucht. » Ich vermisse auch all meine Enkelkinder. Es ist furchtbar. Ich liebe Babys und Kinder. Sie faszinieren mich. Diese winzigen, hilflosen Dinger, die Tag für Tag lebendiger werden, bis sie erwachsene Menschen sind. Oh, ich bin sicher, Sie werden Ihre helle Freude damit haben.« Sie hob den Kopf. » Das Wasser kocht.«
Sie ging, um Rachaela den ungewünschten Tee zu bringen. Für sich selbst hatte sie keinen zubereitet, und sie verließ Rachaela sofort nachdem sie ihr die Tasse in die Hand gedrückt hatte. Der Raum wurde nach ihrem Weggang seltsam dunkel, wahrscheinlich eine durch Stromschwankungen erzeugte Sinnestäuschung.
Der Sommer begann Anfang August.
Die Stadt brodelte, und die Bäume wurden kupferfarben. Ockerfarbener Staub stieg von den glühenden Bürgersteigen empor.
Der kobaltblaue Himmel ließ weder Abgase noch Gestank abziehen. Alles roch und schmeckte nach Asphalt, Benzin, Autoabgasen und süßer Eiscreme.
Rachaelas Rücken schmerzte ständig. Dafür konnte sie ihren Job verantwortlich machen. Das rote Kleid wurde eng, aber die Schürze verbarg es. Eines der Mädchen witzelte, dass Rachaela durch das gute Essen zugenommen hatte.
An einem Tag brachte sie es auf zehn Pfund von vertrauensseligen Gästen, die ihr Wechselgeld nicht nachzählten.
Der Mann aus der Horsley Street hatte ihre Stereoanlage angeschlossen. Das Radio war nicht sehr gut, aber Kassettenrekorder und Plattenspieler waren ausgezeichnet. Sie kaufte Bücher und bestückte ihr Bücherregal. Emma erfand Ausreden, um bei ihr auftauchen zu können, doch nicht sehr oft. Emma kannte ihren Vornamen immer noch nicht.
Der September war ein lohfarbener Monat, gebräunte, heiße Haut auf den Straßen, braune, knisternde Blätter.
Der Oktober wurde gelb. Bananenfarbene Sonnenuntergänge, durchzogen mit güldenen Fäden, zitronengelbes Licht, als Rachaela, verkrampft und schlaflos, den dämmernden Morgen beobachtete und die Bäume im Park wie Fahnen aus Topas wirkten.
Stürme bei Nacht. Heiße Regengüsse bei Tag.
Sibelius, Mozart, Schostakowitsch.
Nur nicht nachdenken. So träge. Sie würde den Pizza Eater aufgeben müssen. Ihr Rücken kreischte, und wenn sie sich bückte, um die späten Gäste mit ihrem nach Bier und Cinzano stinkenden Atem zu bedienen, wurde ihr schwindelig. Niemand hatte ihre Schwangerschaft bemerkt. Alle dachten, sie wäre fett geworden, eine gute Reklame für das reichhaltige Essen. Der Sommer endete in der ersten Oktobernacht. Hagel hämmerte gegen Dach und Fensterglas.
Rachaela hatte sich krankgemeldet und saß an Polster und Kissen gelehnt an ihrem Fenster. Sie hatte eine Halluzination von einem großen, dunklen Mann, der auf der Straße durch den Hagel schritt. Adamus, in einem Umhang aus Donner, der sie für die Scarabae zurückforderte.
Aber all das war vorbei. Es war ein Traum. Es war eine unbefleckte Empfängnis gewesen, und hier saß sie, Sklavin dieses geschmolzenen Tumors in ihrer Gebärmutter, und das war die Wirklichkeit.
11
Aus den Geschäften an der Hauptstraße heulten ihr Weihnachtslieder entgegen, und Glöckchen klingelten in zwanghafter Glückseligkeit.
Es regnete in Strömen. Die Grippe kursierte. Rachaela hatte beim Pizza Eater gekündigt und ging gerade, als die kostenlosen Ballons verschenkt wurden und der Weihnachtspudding auf der Speisekarte auftauchte. Kinder hatten den grünen, mit rotem Glitzerzeug geschmückten Baum umgeworfen, und jedermann half, ihn wieder aufzurichten. Das war
Weitere Kostenlose Bücher