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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Pferd. Ein Mann, eigentlich ein Junge, bekam eine Kugel in den Rücken, als wir wegritten. Seine halben Innereien hingen ihm aus dem Bauch heraus. Er konnte nicht weiterreiten. Die Araber waren hinter uns. Wenn wir ihn mitgenommen hätten, wären wir niemals entkommen. Araber sind wahnsinnig gut darin, jemanden über Sand zu verfolgen. Wir hatten keine Wahl. Es hieß Tod oder Folter für ihn. Doch niemand wollte es tun. Wir hofften, daß er von alleine sterben würde. Aber das tat er nicht. Wir warteten ab, solange es ging, und er lag einfach nur da, würgte und weinte und bettelte um Wasser.«
    Stern hielt inne. »Doch er bat uns nicht, ihn zurückzulassen.«
    »Also?«
    »Also habe ich es getan. Niemand hat es mir befohlen. Aber wenn wir noch länger gewartet hätten, wären wir alle erwischt worden.«
    »Also haben Sie es getan, als er nicht hinsah?«
    Stern lachte verbittert. »Sie sehen sich zu viele Filme an, Doktor. Er wußte, was auf ihn zukam. Er hat die Hand über die Augen gelegt und gewimmert. Peng. Wir ritten weg.«
    »Himmel.«
    »So etwas zu tun, ist für einen Juden keine gute Sache.«
    »Ich nehme an, jemand mußte es tun.«
    »Ich wünschte nur, ich hätte ihm helfen können - wirklich helfen, so wie Sie es heute getan haben.«
    McConnell zog die Decke hoch. Es wurde allmählich kalt. Was sollte er sagen? Während die Zeit verstrich, fragte er sich, ob Stern wohl eingeschlafen war. Wenn ja, wovon träumte er? Hatte er jemals Frieden kennengelernt? Seine Kindheit hatte er in Deutschland verbracht, in einer Dekade der Verzweiflung und des Wahnsinns, unter der Herrschaft Adolfs Hitlers. Konnte sein Gehirn noch schöne Bilder eines Landes heraufbeschwören, das für ihn für immer verloren war?
    McConnell schloß die Augen. Ohne daß er jemals einen Fuß auf ein Schlachtfeld gesetzt hätte, hatte er sich die Furcht, die Scham und die rauhe Leidenschaft von Menschen bereits angeeignet, die sich vorsätzlich gegenseitig umbringen. Was war der Grund dafür? Was brachte einen aus Georgia stammenden Pazifisten in eine zugige Wellblechhütte hinter einer Burg im abgelegensten Winkel der schottischen Highlands? Der Mord an seinem Bruder? Es war einfach nur absurd. Die ganze westliche Welt stand bereit, in Hitlers Festung Europa einzudringen.
    Was konnten er und Stern dabei schon ausrichten?
    Am nächsten Nachmittag wurde McConnell von Sergeant McShane zur Burg gerufen. Als er dort ankam, wartete Brigadegeneral Smith bereits auf ihn in der Eingangshalle. Der General trug sein inzwischen vertrautes Tweedjackett und die Jägermütze und war offensichtlich aufgeregt. Smith nickte McConnell zu, ihm zu folgen. Er ging voraus zu einer Stelle hinter der Burg, wo das laute Rauschen des Arkaig ihre Stimmen übertönen würde. Smith sah auf den Fluß hinaus, während er sprach.
    »Was fällt Ihnen eigentlich ein, Doktor?«
    McConnell starrte den breiten Rücken des Brigadegenerals verständnislos an. »Wovon reden Sie?«
    Smith wirbelte herum. »Ich rede davon, daß Sie Idiot Ihre verdammte Zunge nicht im Zaum halten können!«
    »Sind Sie betrunken, General?«
    »Hören Sie zu, Doktor. Wie auch immer Ihre Meinung über diese Mission aussieht ... Sie haben nicht das Recht, Stern mit Ihrem verdammten Pessimismus anzustecken, verstanden?«
    Plötzlich verstand McConnell. In den letzten Tagen hatte er versucht, die Logik ihres Einsatzes zu begreifen. Stern hatte selbstbewußt alle Fragen abgeschmettert und behauptet, daß alle Widersprüche auf Tatsachen beruhten, die ihnen nur aus Sicherheitsgründen vorenthalten würden. Aber vielleicht war das nicht die Wahrheit. Vielleicht war Stern beunruhigt genug, um Brigadegeneral Smith gegenüber Vorbehalte anzumelden.
    »Hat er mit Ihnen geredet?«
    Smith lief rot an. »Geredet? Nach Ihrem Lazarusakt gestern am Fluß ist er in Charlie Vaughans Büro geschlichen und hat mich telefonisch in London aufgespürt. Er hatte eine ganze Latte mit Fragen.«
    McConnell mußte unwillkürlich lächeln. »Haben Sie sie beantwortet?«
    »Ich habe nichts dergleichen getan, und ich werde auch Ihnen keine beantworten. Aber ich sage Ihnen eins: Sie sind nicht halb so schlau, wie Sie denken. An diesem Einsatz hängt mehr, als Sie je wissen werden, und Sie sollten das Denken lieber den Profis überlassen.«
    »Profis wie Ihnen?«
    »Verdammt richtig. Es sei denn, Sie haben vor, auszusteigen. Ist es das?«
    McConnell hockte sich an den Fluß und schwieg eine Weile. Sollte der große Manipulator doch

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