Schwarzer Tod
ruhig ein bißchen schwitzen.
»Ich habe mit dem Gedanken gespielt«, antwortete er schließlich. »Ich weiß, daß Sie mich belogen haben, was diese Mission angeht, General. Und ich glaube, daß Sie auch Stern belogen haben. Sie haben nie damit gerechnet, daß wir beide uns anfreunden würden, richtig?«
Smith lachte barsch. »Wenn Sie glauben, daß Jonas Stern Ihr Freund ist, dann sind Sie noch naiver, als ich dachte. Ob Sie es nun glauben oder nicht, Doktor, ich bin der einzige Freund, den Sie bei diesem Job haben.«
McConnell stand auf und sah ihn an. »Wenn wir solche bescheuerten Dummköpfe sind, wie Sie sagen, dann sollten Sie vielleicht an unserer Stelle nach Deutschland gehen, da es ja ein so lächerlicher Einsatz ist.«
»Seien Sie nicht albern«, erwiderte Smith. »Aber ich bin nur 100 Meilen weit weg, an der schwedischen Küste.«
»Das ist ja interessant.«
Smith schnalzte mit der Zunge. »Also? Ziehen Sie nun den Schwanz ein, oder sind Sie dabei?«
McConnell warf einen flachen Stein über den Fluß. »Ich bin dabei. Ich wollte Sie nur darüber informieren, daß ich weiß, daß Sie lügen. Ich weiß zwar noch nicht genau wie und warum, aber ich weiß es.« Er wischte sich die Hände an der Hose ab und lächelte den SOE-Chef an. »Und ich will diesen Wahnsinn um nichts in der Welt verpassen.«
Mit diesen Worten ließ er den völlig perplexen Smith am Ufer stehen.
22
Vier Tage waren vergangen, seit Schörner mit Rachel gesprochen hatte. Noch drei Tage, bis sie zu ihm gehen mußte. Natürlich mußte sie das nicht wirklich tun. Sie konnte auch in den Zaun laufen, wie die Selbstmörder von Auschwitz; aber dann würden Jan und Hannah allein zurückbleiben. Als Rachel in einer besonders düsteren Stimmung gewesen war, hatte sie kurz überlegt, ob sie mit den Kindern auf dem Arm in den Zaun laufen sollte. Es wäre vielleicht besser für sie, zu sterben, als Brandts grausigen Experimenten zum Opfer zu fallen.
Aber dazu war sie noch nicht bereit. Rachels Selbsterhaltungstrieb war zu stark. Er war es, der sie vorantrieb und bisweilen sogar den Verstand ausschaltete. Bei einigen Gefangenen war dieser Trieb nicht so stark ausgeprägt, das merkte Rachel. Manche der anderen frisch verwitweten Frauen versanken seit der Nacht der großen Selektion immer mehr in Melancholie. Sehr bald schon würden auch sie Muselmanen sein. Rachels neue Stimme riet ihr, diese Frauen einfach nicht zu beachten. Sie klang wie ein Echo von Frau Hagan: Verzweiflung ist ansteckend. Und es war auch diese neue Stimme, die ihr einen Plan vorschlug, wie sie Jan und Hannah retten könnte. Einen Plan, den Rachel sich auch umzusetzen bemühte.
Im wesentlichen drehte sich dieser Plan um Nahrung.
Ihre nächtlichen Ausflüge in die Gasse, wo Sturmbannführer Schörners Sonderrationen auf sie warteten, waren den anderen Insassen natürlich nicht entgangen. Doch schweigend ertrug sie deren Blicke und Beschimpfungen, denn was sie in der Gasse tat, war keineswegs das, was die anderen Frauen glaubten. Wenn Ariel Weitz sie dort Nacht für Nacht mit Nahrung erwartete, mit gutem Gemüse und echten Würstchen, wartete Rachel, bis Jan und Hannah sich sattgegessen hatten, rührte ihre Ration jedoch nicht an. Während Weitz sie von der anderen Seite der Gasse her beobachtete, hockte sie einfach da, hatte die Hände vors Gesicht geschlagen und schien verzagt, während ihre Kinder aßen. Früher oder später, sagte ihr diese neue Stimme in ihrem Inneren, wird er Schörner sagen, daß du nichts ißt. Und der Sturmbannführer will, daß du weiblich und weich in seinem Bett bist, nicht knochig und trocken wie die anderen Frauen. Und um das zu bekommen, was er von dir will, gewährt er dir vielleicht auch das, was du von ihm willst.
Es ist wirklich nur eine Kleinigkeit, was er will, sagte sie sich. Es war das, was alle Männer von ihr gewollt hatten, seit sie dreizehn geworden war. Am ersten Tag hatte sein Vorschlag sie noch entsetzt. Aber jetzt wirkte diese Vorstellung gar nicht mehr so widerlich - auch wenn Rachel das niemanden gegenüber eingestehen würde -, vor allem in Anbetracht der anderen Schicksale, die einen in Totenhausen ereilen konnten.
Sie dachte auch an ihre Ehe. Wie sie sich die Ehe vorgestellt hatte, und wie sie dann wirklich gewesen war. Als Kind hatte sie gelernt, daß eine Ehe Partnerschaft bedeutete, und zum größten Teil hatte sich das auch als wahr erwiesen. Doch auf dem Gebiet der sexuellen Beziehungen war es manchmal anders
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