Schwarzer Tod
Sauerstoffkanister.«
Als McConnell nach dem Koffer griff, war er weg. Ein großer Mann mit schwarzem Bart, einem dicken Fellmantel und einem alten Karabiner über der Schulter stand kaum einen Meter von ihm entfernt. Den schweren Koffer hielt er in der Hand, als wäre nur Kleidung für einen Wochenendausflug darin. Während McConnell noch ungläubig den Mann anstarrte, erlosch der Lichtpfad, den sie vom Flugzeug aus gesehen hatten, und zwei weitere Gestalten tauchten aus der Dunkelheit auf. Die eine war ein großer, dünner Mann mit einer Fischermütze über den Augen, die andere war kleiner und bis zu den Augen mit einem dicken Schal und einer Öljacke vermummt. Die kleinere trug keine Waffe, war aber offensichtlich der Anführer.
»Parole?« fragte die Gestalt undeutlich auf deutsch.
»Black Cross«, antwortete Stern. »Sie sind ...«
»Butler und Wilkes. Er ist Wilkes. Und Sie?«
»Melanie. Folgen Sie uns. Schnell! Wir warten schon die ganze Nacht hier. Wenn man uns bei Morgengrauen hier draußen erwischt, sind wir tot.«
Die schemenhafte Eskorte bewegte sich so schnell über den gefrorenen Boden, daß selbst McConnell ihr nur schwer folgen konnte. Einmal ließ sich der Anführer hinfallen und bedeutete den anderen, seinem Beispiel zu folgen. McConnell glaubte, in der Ferne das schwache Rumpeln eines Motors zu hören, war aber nicht sicher. Nach drei Minuten stand der Anführer wieder auf und ging weiter.
Während er über die gefrorenen Felder lief, fiel McConnell auf, daß die Kälte hier ganz anders war als in Schottland. Er hätte sich darauf vorbereiten sollen. Es bedurfte keiner außergewöhnlichen Bildung, um zu wissen, daß der Wind in Norddeutschland aus der Arktis stammte. Sie waren nur 20 Meilen von der Ostseeküste entfernt. Der Wind fegte über die Ebene wie ein altnordischer Fluch. Die Uniformen, die Stern und McConnell trugen, fochten einen vergeblichen Kampf mit ihm aus.
Zu seiner Linken bemerkte McConnell einige schwache Lichter. Eine Straße? Eine Eisenbahnlinie? Rechts sah er zunächst nichts. Dann erhellte ein schwaches bläuliches Licht den Kamm einiger Hügel. McConnell zitterte. Hinter diesen Hügeln ging die Sonne auf.
Nachdem sie den Fuß eines Hügels umrundet hatten, sah McConnell ein blaßgelbes Licht unmittelbar vor sich. Der Anführer der Fremden blieb stehen und sprach leise mit seinen beiden Begleitern, die ohne ein Wort in den Schatten verschwanden. Stern und McConnell mußten ihre Koffer von nun an wieder selber tragen.
Sie näherten sich einem kleinen Dorf und hatten bereits zwei Bauernhöfe am Rand passiert, als plötzlich ein Hund bellte, aber offensichtlich wachte niemand davon auf. McConnell rief sich den Rat ins Gedächtnis zurück, den Stern ihm gegeben hatte, was Verhalten im feindlichen Gebiet betraf. Erstens: Niemals im Freien rauchen. Stern behauptete, daß der Geruch von Zigarettenrauch im Wind ihm mehr als einmal das Leben gerettet hatte. McConnell hatte damals einen Scherz darüber gemacht, doch der wirkte jetzt gar nicht mehr so komisch. Als sie sich dem nächsten Hof näherten, gab sich ihr Führer keine Mühe, ihn zu umgehen. Statt dessen ging er direkt zur Haustür, schloß sie mit einem Schlüssel auf und winkte Stern und McConnell hinein.
Im Inneren war es zwar dunkel; trotzdem erkannte McConnell, daß an der Wand neben dem schmalen Eingang nur ein Mantel hing. Stern ließ die Taschen und Koffer fallen und setzte sich darauf. Er atmete schwer.
»Nehmen Sie die Koffer hoch«, befahl ihr Führer. »Sie müssen in den Keller.«
»Einen Moment, ja?« bat Stern auf deutsch. »Das war eine ziemlich anstrengende Wanderung.«
Der Führer knurrte mißbilligend und stapfte aus dem Flur. McConnell stellte ebenfalls sein Gepäck ab und tastete sich ins Zimmer vor, bei dem es sich offenbar um eine Küche handelte. Er roch den Kaffee, der auf dem Ofen warmgehalten wurde. Er mußte sich zurückhalten, nicht sofort dorthin zu gehen und einen Schluck direkt aus der Kanne zu trinken.
Ihr Führer zündete zwei Kerzen an und stellte sie auf einen hölzernen Tisch mitten im Zimmer. McConnell ließ den Blick über die spärlich bestückten Regale und die gelb gestrichenen Wände gleiten. »Mein Name ist Mark McConnell«, sagte er auf deutsch. »Danke, daß Sie uns abgeholt haben.«
Der Führer zuckte mit den Schultern und nahm den Hut ab. Eine blonde Mähne fiel ihm auf die Schultern; dann nahm er den Schal vom Gesicht.
»Meine Güte«, entfuhr es McConnell auf
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