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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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später tun. Und Sie, Sie können hier gern sitzen bleiben und auf die Wiederkehr Christi warten, oder was auch immer Ihrer Meinung nach Hitler aufhalten kann. Ich gehe diesen Hügel hinauf.«
    »Ist das Gas da oben?«
    »Ja.«
    »Und wie wollen Sie es ins Lager bekommen?«
    »Ganz einfach. Es gibt zehn Strommasten, die die Umspannstation auf dem Hügel mit dem Gefängnislager an seinem Fuß verbinden. Gestern abend haben Sergeant McShane und seine Leute acht Kanister mit britischem Nervengas an ein Stromkabel des obersten Mastes gehängt. Mein Auftrag lautet, diesen Mast zu erklimmen, die Kanister loszumachen und sie nach Totenhausen zu schicken.«
    »Das ist es also«, sagte Anna und starrte in die Kerzenflammen. »London hat mich nächtelang hinausgeschickt, um Masten und Kabel und Transformatorkästen zu beschreiben, alle elektrischen Verbindungen im Lager. Ich hatte keine Ahnung, aus welchem Grund. Bis jetzt. Und ich habe geglaubt, daß sie vorhätten, den elektrischen Zaun vor einem Angriff lahmzulegen.«
    Sie setzte sich McConnell gegenüber an den Tisch und sah Stern an. »Ist das wirklich die einzige Möglichkeit? Alle zu töten?«
    »Was sind schon ein paar hundert Leben, wenn dieses Opfer später Zehntausende retten kann?« fragte Stern.
    Anna blickte ihm unverwandt in die Augen. »Das sagen Sie jetzt so leichthin, Herr Stern. Es gibt Frauen und Kinder im Lager.«
    »Juden?«
    »Es sind viele Juden dort, ja. Aber auch andere. Sie mögen keine Juden?«
    »Ich bin Jude.«
    Anna starrte ihn ungläubig an, »Meine Güte. Sie sind Jude und kommen dann hierher? Sie müssen verrückt sein!«
    »Nein. Aber ich bin bereit, für mein Volk zu sterben. Wenn auch andere Juden dabei sterben müssen, dann ist das eben so.«
    »Haben Sie das Recht, diese Entscheidung für sie zu treffen?« fragte McConnell.
    »Diese Gefangenen waren bereits dem Untergang geweiht, lange bevor wir hierhergekommen sind, Doktor. Wenigstens sterben sie so aus einem guten Grund.«
    »Rechnen Sie dabei nicht auf mich«, sagte McConnell.
    »Das habe ich auch nie getan.« Stern trat wieder ans Fenster und spähte durch den Spalt zwischen den Vorhängen.
    »Ich habe Smith gesagt, daß er ein Narr wäre zu glauben, Sie würden mir helfen. Aber es ist auch nicht wirklich wichtig. Ich kann den Angriff auch ohne Sie ausführen.«
    McConnell hörte ihm nicht zu. Er dachte nach. »Sie sagen, diese Kanister auf dem Hügel enthalten alle britisches Nervengas?«
    »Das ist richtig.«
    »Was für ein Nervengas?«
    Stern zuckte mit den Schultern. »Weiß ich nicht. Eben Nervengas.«
    »Haben Sie gesehen, ob es funktioniert?«
    »Gesehen? Natürlich nicht. Es ist doch unsichtbar, oder?«
    »Manchmal. Wissen Sie, woher es gekommen ist?«
    »Worauf wollen Sie hinaus, Doktor?«
    McConnell antwortete nicht. Sein Schweigen regte Stern offensichtlich auf, denn dieser warf ihm vom Fenster aus wütende Blicke zu, Anna sah zwischen den beiden Männern hin und her und wunderte sich über die Feindseligkeit, die zwischen ihnen aufflammte.
    Plötzlich drehte Stern sich hastig zum Fenster um, als hätte er etwas gehört. »Da ist ein Bus!« rief er und griff nach der Schmeisser. »Ein grauer Bus voller Männer. Sie kommen vom Dorf und fahren direkt auf uns zu. Wer ist das?«
    »Die Techniker der Fabrik«, erwiderte Anna. »Sie sind in Dornow einquartiert. Der Bus fährt sie jeden Tag zur Arbeit und wieder zurück.«
    Als McConnell plötzlich lachte, starrten Anna und Stern sich an, wie die Besucher einer Begräbnisfeier, die unvermittelt in einen Karnevalsumzug gestolpert waren. McConnell gab erst ein kurzes, abgehacktes Bellen von sich, und lachte dann wie ein Mann, dem plötzlich klargeworden ist, daß er die Zielscheibe eines Witzes von kosmischen Ausmaßen geworden ist.
    »Was haben Sie denn plötzlich?« fragte Stern. »Worüber lachen Sie?«
    »Über Sie«, antwortete McConnell. »Über uns.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Stern, wir beide sind so gottverflucht blöd, daß es schon erbärmlich ist. Was habe ich Ihnen in Achnacarry gesagt? Daß die Erklärung für diesen Einsatz mir nicht sinnvoll erscheint. Aber da Sie wußten, daß Smith mich belog, bereitete es Ihnen keine allzu großen Kopfschmerzen, daß ich es nicht verstehen konnte. Begreifen Sie denn nicht? So wie man Ihnen den Auftrag erklärt hat, ergibt er auch keinen Sinn.«
    »Erklären Sie das, verdammt noch mal!«
    »Sind Sie denn blind? Worin besteht die Logik, dieses Lager auszuradieren, wenn die

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