Schwarzer Tod
sie bald vermißt werden.
Sturmbannführer Schörner würde vermutlich sofort eine große Suchaktion starten. Stern würde dann keine Wahl bleiben, als sofort wieder auf den Hügel zu gehen und die Kanister loszulassen. Und dann würde sein Vater sterben. Das konnte er unmöglich tun, aber er mußte etwas unternehmen. McConnells Universitätsdeutsch würde die beiden SS-Leute keine 20 Sekunden lang täuschen. Wenigstens haben sie kein Funkgerät, dachte er erleichtert. Er spielte mit dem Gedanken, einfach tollkühn aus dem Unterholz zu treten und seine Rolle als Sturmbannführer Stern zu spielen. Aber selbst wenn es ihm gelang, die beiden zu täuschen, würden sie seine Anwesenheit Sturmbannführer Schörner melden, und auf jeden Fall würden sie verlangen, daß er mit ihnen nach Totenhausen zurückkehrte.
Als McConnell verängstigt zu Sterns Versteck emporblickte, begriff dieser, daß ihm noch eine dritte Möglichkeit blieb: Brigadegeneral Smiths Plan. Unter gar keinen Umständen dürfen wir zulassen, daß der Doktor lebend in die Hände des Feindes fällt. Wenn es so aussieht, als würde er gefangengenommen, dann müssen Sie ihn eliminieren. Das war ein Befehl. Aber Smith hatte Stern diesen Befehl in derselben Nacht erteilt, in der er ihm erzählt hatte, daß sein Vater in Totenhausen gestorben sei. Dieser verlogene Bastard. Trotzdem, der Befehl war logisch. Es gab aber da nur ein Problem. Wenn er McConnell umbrachte, wer würde ihm dann helfen, seinen Vater zu befreien? Die Polen, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf. Stan Woßk würde nichts lieber tun, als eine SS-Garnison seinem Punktekonto hinzuzufügen.
Mit einem lautlosen Fluch auf den Lippen stand Stern auf und richtete die Schmeisser auf McConnells Brust. Er würde warten, bis die Soldaten den Amerikaner zwangen, den Weg nach Totenhausen zurückzugehen. Dann würde er schießen ... Schießen und weglaufen, als wäre der Teufel hinter ihm her.
McConnell mußte seinen ganzen Mut und all seine Konzentration aufbieten, um nicht immer wieder dorthin zu blicken, wo Stern sich befinden mußte. Er konnte nur an Randazzo denken und dessen Beschreibung, wie David von SS-Männern in einer ähnlichen Situation ermordet worden war. Wo zum Teufel steckte Stern? Warum war er nicht aus dem Wald herausgekommen und hatte seine Sicherheitsdienst-Nummer durchgezogen? Der Mann mit der Taschenlampe sagte etwas mit einer gutturalen Stimme und schob McConnell zurück. Die einzigen Worte, die der Amerikaner verstand, waren: »Wer ist ... «
»Doktor ...« und »Peenemünde ...«
Er wollte etwas sagen, doch kein Wort kam über seine Lippen.
Der Unterscharführer mit der Maschinenpistole trat vor und riß McConnell die Walther aus dem Halfter.
»Los, marsch!« befahl er und deutete in Richtung Totenhausen.
McConnell warf einen letzten verstohlenen Blick in Sterns Richtung, drehte sich um und ging die Straße hinunter. Er war etwa zehn Meter gegangen, als das Brattt! der schallgedämpften Schmeisser ertönte.
Er spürte einen Schlag wie von einem Hammer zwischen seinen Schulterblättern. Dann lag er mit dem Gesicht nach unten im Schnee und konnte sich nicht mehr bewegen. Die Zähne des deutschen Schäferhundes rissen an der SS-Uniform und an seiner Schulter.
Brattt! Wieder spie die Schmeisser ihre Geschosse aus.
McConnell hörte etwas fallen, und dann Schritte, die rasch die Straße hinunterkamen. Die Kiefer des Hundes schlössen sich um seinen Hals.
Ein lautes Heulen machte ihn fast taub.
Er drehte sich auf den Rücken und sah, wie Stern den Hund mit dem Stiefel auf den Boden drückte und ihm dann eine Kugel in den Rachen jagte.
»Stehen Sie auf!« befahl Stern. »Sofort! Los, hoch!«
Trotz des Schocks begriff McConnell rasch, was passiert war. Stern hatte erst einen SS-Mann erschossen. Der erschreckte Schäferhund hatte daraufhin sofort McConnell angesprungen; er war so abgerichtet worden. Stern hatte den zweiten SS-Mann erschossen, war zu McConnell gelaufen, hatte den Hund weggerissen und ihn erschossen.
»Wo zum Teufel waren Sie?« fragte McConnell.
»Halten Sie den Mund!« fuhr Stern ihn an. Er zog bereits einen der toten SS-Männer zwischen die Bäume. »Breiten Sie Schnee über die Blutflecken.«
McConnell gehorchte. So ist das also, dachte er, während ihm das Blut in den Ohren rauschte. Das ist der Krieg. Als die Blutflecken bedeckt waren, hatte Stern bereits die beiden Leichen und den Hund außer Sichtweite im Wald versteckt.
»Was machen wir jetzt?«
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