Schwarzer Tod
fragte McConnell. Er war wie benommen vor lauter Aufregung. »Jemand muß doch etwas gehört haben! Wo verstecken wir die Leichen?«
»Halten Sie den Mund und lassen Sie mich nachdenken«, erwiderte Stern. »Wir können sie nicht begraben. Die Hunde würden sie zu leicht finden. Ich würde sie gern in den Fluß werfen, aber so weit schaffen wir es nicht.«
Stern schnippte mit den Fingern. »Abwasserkanäle. Dornow muß doch einen Abwasserkanal haben, der zum Fluß führt.«
»Sie meinen, wir sollen die Leichen ins Dorf tragen? Und den Hund auch?«
»Vermutlich gibt es am Dorfrand einen Zugang. Nicht allzuweit von Annas Haus entfernt. Ich werde ihn finden.«
»Glauben Sie nicht, daß die Leichen in einem Abwasserkanal entdeckt werden?«
Stern beugte sich runter und hob eine der Leichen hoch.
»Wenn sie anfangen zu stinken, na und? Abwasserkanäle stinken sowieso.«
McConnell packte ihn an der Schulter. »Stern, Sie haben mir das Leben gerettet. Ich ... Danke. Einfach nur danke.«
Sterns Augen glühten in der Dunkelheit. »Danken Sie mir nicht zu schnell, Doktor. Es war eine knappe Entscheidung.«
McConnell wollte fragen, was er damit meinte, aber Stern hatte sich bereits einen Leichnam über die Schulter gewuchtet und watete durch den Schnee.
35
McConnell erwachte mit pochendem Herzen aus einem fast totenähnlichen Schlaf. Nach ihrer Rückkehr vom Abwasserkanal in Dornow hatte Stern ihm befohlen, angezogen zu schlafen. Jetzt wußte er auch, warum. Jemand hämmerte oben an die Haustür. Stern war bereits aufgesprungen und prüfte das Magazin seiner Schmeisser. Das gedämpfte Hämmern beruhigte McConnell ein wenig. Wenigstens war es nicht an der Kellertür, doch das war nur ein schwacher Trost.
Stern stieß ihn mit dem Fuß an. »Jemand versucht, ins Haus einzudringen!«
McConnell zog seine Walther und folgte Stern die Treppe hinauf. Durch einen Spalt in der Tür sah er Anna in die Küche treten. Sie trug nur ein Nachthemd, warf einen Blick in Richtung der beiden Männer, zögerte und ging dann zur Tür.
»Wer ist da?«
»Fräulein Kaas? Machen Sie auf!«
Stern trat in die Küche und hockte sich hinter den Schrank unmittelbar neben der Diele. McConnell blieb auf der Kellertreppe stehen, zielte mit seiner Walther jedoch durch die Tür.
»Schwester Kaas! Öffnen Sie!«
Anna lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür und schloß die Augen. »Es ist sehr spät!« rief sie. »Weisen Sie sich aus!«
McConnell sah auf die Uhr. Es war kurz nach Mitternacht.
»Ich bin Sturmmann Heinz Weber! Sie werden sofort im Lager gebraucht! Befehl von Sturmbannführer Schörner!«
Anna spähte wieder in die Küche, drehte sich dann um und öffnete die Tür. Davor stand ein großer SS-Mann, und sein Atem dampfte in der Kälte.
»Was ist los?«
»Das kann ich nicht sagen, Schwester.«
»Haben Sie einen Wagen hier?«
»Nein, ein Motorrad mit Beiwagen. Bitte, Sie müssen sich beeilen.«
»Warten Sie hier. Ich muß mich anziehen.«
»Beeilen Sie sich. Der Sturmbannführer reißt mir den Kopf ab, wenn wir uns verspäten.«
»Verspäten? Wobei?«
»Beeilen Sie sich einfach!« Der Soldat kehrte zum Motorrad zurück.
Anna lief durch die Küche. McConnell stieß die Tür auf und packte sie am Arm. »Gehen Sie nicht!« sagte er und überraschte damit sich selbst und sie auch.
Sie sah ihn verwirrt an. »Ich muß gehen. Mir bleibt keine Wahl!«
Stern schob sie in ihr Schlafzimmer, zog McConnell die Kellertreppe hinunter und schloß die Tür hinter sich. Als sie unten waren, fragte er: »Was sollte das eben?«
Als McConnell nicht antwortete, stupste er ihn mit dem Kolben der Schmeisser vor die Brust.
Wie eine angreifende Schlange stieß McConnell Stern im Gegenzug mit der offenen Hand gegen die Brust und schleuderte ihn so gegen die Wand.
»Machen Sie das nie wieder!« sagte er.
Stern wurde von dieser Reaktion derart überrascht, daß er fassungslos zusah, wie der Amerikaner die Treppe hochstieg und sich neben die Tür setzte. »Sie wird es schaffen«, sagte er. »Sie hat es bis jetzt auch ohne Ihre Hilfe geschafft.«
McConnell starrte ihn an. »Sie wissen gar nichts. Schörner und Brandt könnten im Augenblick planen, jede Krankenschwester im Lager zu foltern. Sie wissen nicht, wozu diese Mistkerle fähig sind.«
»Und Sie? Was wissen Sie schon darüber? Sie haben sich doch den ganzen Krieg über in England versteckt.«
McConnell stieg die Treppe hinunter und ging zu dem kaputten Bücherregal. Er zog Annas
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