Schwarzer Tod
Es ist eine Frage, die Präsident Roosevelt entscheiden muß.«
Churchill seufzte. »General, ich habe mit Franklin schon in Kairo über diese heikle Angelegenheit gesprochen. Damals hatte ich schon einen Vorbericht über Sarin. Aber ich glaube nicht, daß er das ganze Ausmaß der Bedrohung begriffen hat. Er scheint zu glauben, daß sich die Waagschale so sehr zu unseren Gunsten verschoben hat, daß keine einzige deutsche Geheimwaffe uns noch aufhalten kann. Die Luftmarschälle stoßen ins selbe Horn, und sie lehnen meine Einmischung scharf ab. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen. Ich ging davon aus, daß Sie als Verantwortlicher für die Operation Overlord diese Gefahr nicht so einfach abtun würden.«
»Natürlich erkenne ich die Gefahr.«
»Gott sei Dank.« Churchill sprach rasch weiter. »Es ist zu entsetzlich, um es sich vorzustellen. Rommel hätte Kanister von Soman Wochen vor der Ankunft unserer Truppen vergraben und sie dann aus sicherer Entfernung explodieren lassen können. Ein halbes Dutzend Flugzeuge, die Soman auf Aerosol-Basis versprühen, könnten unsere ganze Streitmacht auf dem Strand aufhalten. Die Invasion würde in einem Desaster enden.«
Eisenhower hob die Hand. »Warum glauben Sie, daß Hitler Nervengas auf den Invasionsstränden einsetzen würde, wenn er es nicht einmal in Stalingrad benutzt hat?«
»Weil Stalingrad trotz der schrecklichen Niederlage nicht das Ende war«, antwortete Churchill. »Er konnte immer noch weitsichtig planen. Aber jetzt sieht sich Hitler der Landung einer alliierten Armee auf dem Kontinent gegenüber. Wenn wir seinen Atlantikwall durchbrechen, dann bedeutet das sein Ende, und das weiß er auch. Außerdem bleibt noch die Frage, ob die Deutschen in Stalingrad selbst ausreichende Ausrüstung hatten, um ihre eigenen Truppen zu schützen. Vergessen Sie nicht, Sarin und Soman durchdringen auch die menschliche Haut. Eine Windbö, die in die falsche Richtung weht, könnte ein deutsches Bataillon ebenso leicht dezimieren wie eines von unseren. Im Großen Krieg ist das oft genug passiert. Aber würde Hitler davor zurückschrecken, seine eigenen Soldaten zu opfern, wenn es darum geht, eine Invasion zu verhindern? Nein! Ich sage Ihnen, dieser Teufel macht vor gar nichts halt.«
Eisenhower suchte im gedämpften Licht des Arbeitszimmers Churchills Blick. »Herr Premierminister, beim derzeitigen Spielstand dürfen wir Hitler nicht falsch einschätzen. Etwas anderes können wir uns nicht leisten.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Aus vertrauenswürdigen Quellen habe ich erfahren, daß Sie, Herr Premierminister, 1940 geplant haben, Giftgas einzusetzen, falls die Deutschen die Strande von England gestürmt hätten.«
Churchill konnte das nicht abstreiten.
»Deshalb«, setzte Eisenhower nach, »sollten wir aufhören, so zu tun, als hätten wir eine besondere moralische Verpflichtung, Hitler daran zu hindern, Giftgas unter Umständen einzusetzen, unter denen wir vermutlich dasselbe tun würden.«
»Aber davon rede ich doch! Hitler wird sich sehr bald in einer Lage befinden, in der wir selbst Zuflucht zu Giftgas suchen würden. Können wir es uns leisten zu hoffen, daß er darauf verzichten wird?«
Eisenhower drückte die Zigarette aus. »Wie zum Teufel sind wir bloß in diesen Schlamassel geraten?«
»Ich sage das nicht gern, General, aber es reicht zurück bis zu dem Abkommen, das die Standard Oü und die Mitglieder der heutigen IG Farben in den zwanziger Jahren geschlossen haben. Die Vereinbarung besagte, daß Standard sich aus der Chemie heraushalten würde, wenn die IG Farben nicht ins Ölgeschäft einstieg. Beide Konzerne haben sich an diesen Deal gehalten, selbst nach Kriegsausbruch. Und es sind die Deutschen gewesen, die die kommerzielle chemische Industrie revolutioniert haben. Wir haben nichts, was sich mit der IG Farben vergleichen ließe.«
»Und was ist mit französischen Wissenschaftlern?«
Churchill schüttelte traurig den Kopf. »Hitler hält diese Karte ganz allein.« Er griff nach einem Stift und schrieb etwas auf einen Notizblock. »Darf ich absolut offen mit Ihnen sprechen, General?«
»Ich wünschte bei Gott, daß Sie es endlich täten!«
»Duff Smith und ich haben eine Theorie. Wir glauben, daß Hitler Sarin bisher aus einem einfachen Grund noch nicht benutzt hat: Er hat schlicht Angst vor Gas. Im Großen Krieg ist er vorübergehend an Senfgas erblindet, wissen Sie? Hat er groß und breit in Mein Kampf beschrieben. Vielleicht hat er auch eine etwas
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