Schwarzer Tod
versuchten, seine Spur über den Schnee aufzunehmen. Er wußte zwar nicht, wie der Hund seinen Geruch wahrnehmen sollte, weil er im Gummianzug gesteckt hatte, aber die Lampen kamen immer näher. Trotzdem machte ihn das nicht sonderlich nervös. Sie würden ihn natürlich finden, aber viel zu spät.
Im Augenblick war er unangreifbar.
Das Drama, das seine Aufmerksamkeit fesselte, spielte sich in weiter Entfernung ab. Auf der Südseite des Hügels fegten zwei Scheinwerferpaare die Serpentinenstraße hinunter. Anna war vorn, und der SS-Wagen dahinter. Der Kübelwagen kam langsam näher, und das Ergebnis war vorhersehbar. Anna würde in einer Minute überholt und getötet werden. McConnell versuchte, sich auf die Aufgabe zu konzentrieren, die vor ihm lag, aber er konnte seinen Blick einfach nicht von den schwankenden Lichtern losreißen.
Dann fiel ihm etwas ein. In 30 Sekunden würden die Fahrzeuge auf die flache Strecke gelangen, die vom Fuß des Hügels um das Lager herum zum Haupttor führte. Auf der Straße waren sie vielleicht eine Drittelmeile entfernt, aber in Luftlinie waren es höchstens 300 Meter. Während von unten die Schreie von Schörners Männern aus dem Unterholz drangen, schwang McConnell sich vom Querbalken herunter und rammte die Klettereisen in den Mast. Er befestigte den Sicherheitsgurt am Mast, riß Stan Wojiks Mauser von der Schulter und legte sie auf den Querbalken.
Er lud eine Patrone in die Kammer und wartete.
Während er auf die Straße starrte, wurde ihm klar, daß dieser Schuß fast unmöglich war. Das Problem war nicht das Gewehr, sondern die Dunkelheit. Er starrte über offenes Gelände gegen eine finstere Wand. Selbst wenn die Wagen wieder auftauchten, würde er keine Chance haben, genau die Entfernung zu schätzen. Es war, als würde er auf die Sterne zielen.
Annas Wagen raste zwischen den Bäumen am Fuß des Hügels heraus, und ihre roten Schlußleuchten entfernten sich von ihm, fast parallel zu den Strommasten. Sie hatte einen Vorsprung, aber ihre Flucht führte sie unmittelbar nach Totenhausen, direkt in den Tod. McConnell legte den behandschuhten Zeigefinger an den Abzug und begann, die Lichter zu verfolgen. Vor lauter Frust hätte er das Gewehr beinahe weggeworfen. Er konnte von Glück reden, wenn die Kugel dem Wagen auch nur auf 50 Meter nahe kam.
Er hörte den Hund in den Bäumen unter sich bellen. Das Geräusch war jetzt näher. Eine Stimme in seinem Kopf riet ihm, das Gewehr loszulassen, auf den Querbalken zu klettern und die Kanister auf die Reise zu schicken. Er wollte es gerade tun, als er das Dröhnen gewaltiger Motoren hörte.
Hatte Schörner noch mehr Lastwagen in den Wald geholt?
Der SS-Kübelwagen schoß aus dem Wald heraus. McConnell sah die schwachen Rückleuchten und schüttelte sich den Schweiß von den Augen. Sein Herz raste, weil ihm plötzlich die Sinnlosigkeit seiner Mühen klargeworden war. Aber als sein Finger den Abzug berührte, hörte er, wie etwas über ihm am Himmel explodierte. Sekunden später wurde der Hügel von einem Licht erleuchtet, als wenn Gott im Himmel höchstpersönlich ein Streichholz angezündet hätte. McConnell hatte keine Ahnung, wer die Leuchtkugel abgefeuert hatte, doch sein geschultes Auge berechnete sofort den Abstand zu dem Fahrzeug anhand der Masten, der Wipfel und des Stücks Straße Er hielt ein Stück vor den Kübelwagen und feuerte.
»Gewehrfeuer!« schrie Sturmbannführer Schörner und suchte in den Wipfeln nach Mündungsfeuer. »Gewehrfeuer in den Bäumen! Weiter südlich!« Die Bäume auf dem Hügel verwehrten ihm den Blick auf das grelle Licht jenseits der Anhöhe.
Angeführt von dem Hund brachen Schörner und seine Männer durch das tiefe Unterholz auf die Quelle der Schüsse zu.
McConnells zweites Projektil durchschlug das Segeltuchdach des Kübelwagens und landete im Nacken eines der SS-Männer auf dem Rücksitz. Der Soldat quiekte wie ein abgestochenes Schwein. Blut spritzte über seine Kameraden, die sich sofort vom Fenster wegduckten, weil sie annahmen, daß man von der Seite auf sie feuerte. Vier Sekunden später riß ein weiteres Geschoß den Rückspiegel des Wagen ab. Der Fahrer hatte den Aufprall kaum registriert, als McConnells dritte Kugel den Kofferraum durchschlug und den Benzintank traf. Kraftstoff spritzte auf die Straße unter dem Wagen, und die Funken des überhitzten Auspuffs entzündeten das Gasgemisch sofort.
Der Tank explodierte mit einem dumpfen Ka-Wumm wie ein Mörserschuß, und die
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