Schwarzer Tod
Hinterachse brach ab. Der hintere Teil des Wagens landete mit einem metallischen Kreischen auf der Straße. Die SS-Männer, die noch lebten, sprangen schon aus dem Fahrzeug, bevor es anhielt. Ihren Kameraden ließen sie in dem Kübelwagen verbrennen.
Anna schloß die Augen und kam ins Schleudern. Der Blitz hinter ihr hatte sie erschreckt. Sie hatte keine Ahnung, wer den Kübelwagen zerstört haben könnte. Konnte er auf eine Landmine gefahren sein? Sie fuhr wieder auf die Straße zurück und nahm den Fuß vom Gaspedal, als sie begriff, daß ihr Opfer nicht mehr nötig war. Was sollte sie jetzt tun? Was konnte sie tun? Zurück zum Mast gehen? Es war zu spät, um McConnell noch zu helfen. Was war mit dem Lager? Wenn alles so verlief wie geplant, dann würde es bald mit Gas gesättigt sein. Sie ließ den Wagen weiterrollen, während sich ihre Gedanken überschlugen.
Dann fielen ihr die Kinder ein.
Sie hatte den Gasanzug. Sie hatte die Pistole.
Und sie hatte eine Schuld zu bezahlen.
»Was zum Teufel war das?« fragte Harry Sumner.
»Keine Ahnung, Sir. Eine kleine Explosion.«
»Und? Sind wir hier richtig?«
Der Navigator riß den Blick von den Flammen los und musterte die Landschaft unter ihnen. Als die einsame Leuchtkugel an dem Fallschirm vom Wind weggeweht wurde, erspähte er etwas wie einen Metallkäfig auf einem Hügel im Nordwesten.
»Da ist sie, Harry! Die Transformatorstation! 100 Prozent sicher!«
Major Sumner lehnte sich nach hinten und legte die Mosquito auf die Seite.
»Zweiter Anflug«, sagte er ins Mikrofon. »Staffelführer markiert das Ziel mit allen Leuchtkugeln.«
McConnell wuchtete sich wieder auf den Querbalken zurück und konzentrierte sich auf seine eigentliche Aufgabe. In dem schwächer werdenden Licht der Leuchtkugel wirkte die Mastspitze genauso, wie Stern sie beschrieben hatte. Der sieben Meter breite Querbalken überspannte die beiden Masten und ragte auf beiden Seiten ein paar Fuß heraus. Sechs Kabel führten in drei Paaren über diesen Querbalken, ein Paar jeweils am Ende des Arms und eins in der Mitte. Drei Porzellanisolatoren, die wie umgedrehte Dinnerteller aussahen, sorgten dafür, daß die Kabel nicht in direkten Kontakt mit dem Querbalken kamen.
Laut Stern führte ein Kabel in jedem Paar Strom, und das andere war ein Behelfskabel. Die Gaskanister waren an den Ersatzkabeln an dem Ende des Querbalkens befestigt, das näher bei McConnell lag, etwa anderthalb Meter entfernt. Die fragezeichenförmigen Stützstangen bogen sich von den Rollrädern weg und hinunter, dann unter den Draht und hinab bis zu den Kanistern. McConnell sah, daß Stern die beiden Kanister unmittelbar neben dem Querbalken für die Verminung des SS-Luftschutzbunkers entfernt hatte. Aber das Gummiseil, das die Keile aus den restlichen sechs Rollrädern lösen würde, war in Reichweite. Stern hatte es um den Kanister gewickelt, der sich dem Mast am nächsten befand.
McConnell schob sich bis ans äußerste Ende des Querbalkens und achtete darauf, dabei den Schritt seines Schutzanzugs nicht zu zerreißen. Unmittelbar vor dem Porzellanisolator blieb er sitzen. Als er dem Gummiseil mit den Blicken folgte, bemerkte er, daß das Seil die Keile in der umgekehrten Reihenfolge lösen würde, als wie sie befestigt worden waren. Also würde der Kanister, der am weitesten von dem Mast entfernt war, als erster losrollen, bis sich schließlich auch der letzte, der ihm am nächsten war, in Bewegung setzte.
Die Rufe unter ihm kamen immer näher. Als es auf dem Hügel wieder dunkel wurde, befestigte McConnell seinen Sicherheitsgurt am Querbalken, lehnte sich hinüber, packte das Gummiseil und zog einmal scharf daran.
Das Seil dehnte sich, aber es löste sich nichts.
Er zog fester und hätte beinahe die Balance verloren, als der Keil sich diesmal löste. Das Gummi seil sang wie eine Kontrabaßsaite, als der erste Kanister losrollte.
McConnell blinzelte ungläubig. Da rollten zwei Kanister das Kabel entlang, und beide gewannen rasch an Geschwindigkeit. Lassen Sie ein bißchen Abstand zwischen ihnen, hatte Stern ihm geraten. Er hatte zu fest gezogen! McConnell begann, langsam zu zählen. Er wollte bis 15 zählen, aber schon bei 4 sah er die roten Rückleuchten, die sich der Recknitz näherten.
Anna.
Sie fuhr immer noch Richtung Totenhausen. Was zum Teufel machte sie da? Hatte sie nicht gesehen, wie der SS-Kübelwagen explodiert war? Das mußte sie doch bemerkt haben! Was hatte sie im Lager vor? Während McConnell panisch
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