Schwarzer Tod
»Ich werde dir sagen, was ich denke!« Er blickte zu seinen beiden Kameraden, die an der Wand lehnten und rauchten. »Ich glaube, es wird Zeit, ein bißchen Wasser zu kochen. Es ist kein hübscher Anblick, wenn ein Mann verbrüht wird. Ein kleiner Spritzer genügt schon, und ein Mann schreit. Ich frage mich, wie es sich wohl anhört, wenn man dir einen ganzen Kessel in den Schoß gießt.«
Einer der SS-Leute ließ seine Zigarette fallen und trat sie mit dem Stiefel aus. »Ich hole es aus der Messe.«
Stern verrenkte sich den Hals, um nachzusehen, ob der Soldat tatsächlich einen Kessel holte.
Was er jedoch statt dessen sah, war der graue Uniformrock eines Soldaten, der in einer roten Fontäne explodierte, und einen Mann, der von den Füßen gerissen wurde. Begleitet wurde das Ganze von Maschinenpistolenfeuer. Ein kleiner Mann in einem SS-Mantel kam durch die Tür. Eine Sekunde später erkannte Stern den Mann aus Annas Haus. Es war Brigadegeneral Smiths Agent: Scarlett.
Danach schienen sich die Dinge wie in Zeitlupe abzuspielen. Der andere SS-Mann griff panisch nach seiner Waffe. Hauptscharführer Sturm schrie: »Leg sofort die Waffe weg, Weitz! Bist du verrückt geworden?« Aber der kleine Mann ging einfach weiter, bis die Mündung seiner Maschinenpistole den Bauch des anderen Soldaten berührte. Dann drückte er ab. Der gedämpfte Feuerstoß nahm den Soldaten aus wie eine Weihnachtsgans und blies gleichzeitig ein Loch in die Wand hinter ihm.
Hauptscharführer Sturm griff nach dem Riegel von Schörners Bürofenster, doch Weitz feuerte eine Garbe in die Wand neben ihm. Sturm blickte hoch. Sein Gesicht war weiß von Panik und Verwirrung.
»Weitz!« schrie er. »Was soll dieser Wahnsinn?«
Der kleine Mann begann zu lachen. Er nahm die Waffe in die andere Hand, zog den Mantel aus und ließ ihn zu Boden fallen. Stern sah, daß er einen Gummianzug trug, der jenen sehr ähnlich war, die McConnell aus Oxford mitgebracht hatte.
»Was soll das?« fragte Sturm. »Warum trägst du das?«
Ein kurzer Blitz erhellte das Fenster, und ihm folgte im nächsten Augenblick eine gedämpfte Explosion, die die Scheiben klirren ließ.
»Was?« knurrte Sturm.
Eine zweite Explosion ertönte unmittelbar danach.
Jetzt wirkte Weitz genauso verwirrt.
»Das ist das Gas!« schrie Stern vom Stuhl aus. »Britisches Sarin! Ich habe zwei Kanister an den Hundezwingern vergraben!«
Weitz lächelte. Er hatte verstanden. »Sie wollten weglaufen, Hauptscharführer? Nur zu. Ab durch das Fenster, wo ich Sie beobachten kann.«
Hauptscharführer Sturm versuchte, ein verschwörerisches Lächeln aufzusetzen. »Wie war's mit einem Handel, Weitz? Wir haben doch schon früher Geschäfte gemacht, hm? Was wollen Sie?«
»Ich möchte sehen, wie Ihnen die Augen aus dem Kopf quellen, während Sie Sarin einatmen.«
In einem anderen Teil des Gebäudes schrien Menschen. Sturm beugte sich vor und öffnete das Fenster. Als er zögerte, schoß Weitz die Fensterfüllung über seinem Kopf heraus.
»Warten Sie!« schrie Stern vom Stuhl aus. »Er hat meine Autoschlüssel!«
Hauptscharführer Sturm warf Stern einen kurzen Blick zu, drehte sich dann um und stürzte sich aus dem Fenster.
»Halten Sie ihn auf!« schrie Stern. »Schnell!«
Weitz trat ans Fenster. Sturm rannte in Richtung Krankenhaus, und er zeigte keinerlei Symptome einer Gasvergiftung. Weitz kniete sich hin und feuerte der Gestalt eine Salve nach der anderen hinterher, bis das Magazin der Maschinenpistole leer war. Er sah zwar, wie Sturm einmal hinfiel, aber der Hauptscharführer rappelte sich rasch wieder hoch und lief weiter auf das Krankenhaus zu.
»Da draußen ist kein Gas«, rief Weitz. »Jedenfalls kein Sarin.«
»Binden Sie mich los!« schrie Stern. »Haben Sie ihn getroffen?«
»Ja.« Weitz nahm den SS-Dolch und zerschnitt die Seile, mit denen Stern an den Stuhl gebunden war. »Können Sie gehen?«
Stern sprang auf. »Wir müssen weg von hier! Ich habe zwar einen Wagen, aber keine Schlüssel!«
Weitz hob die Anzugmaske vom Boden auf und zog sie über. Bevor er den Atemschlauch anlegte, sagte er: »Es gibt noch einen Anzug im Krankenhaus. In Brandts Büro. Folgen Sie mir!«
Stern hatte versucht, den Plastiksprengstoff so zu formen, daß er die Kanisterköpfe direkt von den vergrabenen Tanks wegsprengte. Als der erste Zünder hochging, fegte die Ladung die Kanisterkappe wie ein Geschoß direkt durch die Wand einer SS-Baracke. Das sechs Pfund schwere Metallteil enthauptete Sturmmann
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