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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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tauchten keine weiteren Lichter auf. Warum kam der Truppentransporter nicht hinterher? Sie glaubte nicht, daß eine Handgranate ihn außer Gefecht gesetzt hatte. Als der Kübelwagen sich ihr auf kaum vier Autolängen genähert hatte, gab sie Vollgas.
    Gretas Wagen schlitterte über die hartgefrorene Schneedecke, aber sie behielt ihn im Griff und lenkte ihn um die nächste Haarnadelkurve. Unter ihr lag Totenhausen. Sie fragte sich kurz, was wohl gerade im Lager passierte, aber dann mußte sie wieder an McConnell denken. Würde er den Mast hochklettern können? Und wenn ja, würde er die Gaskanister loslassen, wenn er oben war? Es war ein merkwürdiges Gefühl, ihn nie mehr wiederzusehen, ihn, den Mann, der ihr Herz nach so vielen Jahren wieder zum Leben erweckt hatte. Sie bremste erneut und bereitete sich auf die nächste Kurve vor, doch plötzlich sprang ihr Wagen förmlich nach vorn, als er von Kugeln aus einer Maschinenpistole getroffen wurde.
    Anna verlor kurz die Kontrolle über das Fahrzeug, gewann sie jedoch rasch wieder zurück und trat aufs Gaspedal. Sie warf einen kurzen Blick auf den Sitz neben sich. Die beiden letzten Granaten hatte sie aus einem bestimmten Grund aufgehoben. Sturmbannführer Schörner hatte ihr einmal die Geschichte von einem schwerverwundeten SS-Offizier erzählt, der von seiner Einheit bei einem Rückzug an der Ostfront zurückgelassen werden mußte. Der Mann hatte sich ruhig an einen brennenden Panzer gelehnt, während die russische Infanterie näher kam. Als sie bis auf fünf Meter an ihn herangekommen waren, lächelte er, zog die Sicherungsstifte der Handgranaten und sprengte sich und sechs russische Soldaten in Stücke.
    Anna hatte viele Alpträume ertragen müssen, in denen sie von Günther Sturm gequält wurde. Sie hatte nicht die Absicht, auch in der Wirklichkeit so zu enden. Wenn es ihnen gelang, Gretas Volkswagen mit Kugeln aufzuhalten, würde sie sich ergeben, wie der Mann an der russischen Front: mit einem Lächeln auf den Lippen und den scharfen Granaten in der Hand.
    »Hier ist es so dunkel wie in einem verdammten Kohlenkeller!« beschwerte sich der Navigator.
    »Was ist mit Ihrem Radar?«
    »Ich kann nur die Flußbiegung sehen. Sie sieht aus, als wäre es die richtige.«
    Staffelführer Harry Sumner stieß zischend die Luft aus, was die innere Spannung verriet, die sich hinter seiner ruhigen Stimme verbarg. »Wie sicher sind Sie?«
    »Sagen wir ... 85 Prozent?«
    »Das langt nicht, Jacobs. Wenn wir das falsche Ziel bombardieren, wird man uns einfach zurückschicken.« Sumner hielt kurz inne. »Ich werde eine einzelne Leuchtkugel absetzen. Sie müssen Ihre Position über Sichtkontakt bestätigen.«
    Der Navigator blickte von der Karte hoch. »Eine Leuchtkugel, Sir? Dann wissen alle da unten, daß wir da sind, und wir müssen noch einen ganzen Markierungsanflug absolvieren.«
    »Das werden sie sowieso früh genug merken.« Sumner griff nach einem Hebel. »Zwischen hier und Rostock gibt es keine Flak, und wir müssen einfach auf Nummer Sicher gehen.«
    »Ja, Sir.«
    »Ich kann nicht riskieren, den ganzen Segen in der falschen Flußbiegung zu verplempern.«
    »Nein, Sir.«
    »Auf geht's.«
    McConnell hockte auf dem Querbalken wie ein Mann im Ausguck eines Klippers. Er zwinkerte, damit der stechende Schweiß aus den Augen verschwand, und sah sich um. Über ihm hing die gewölbte schwarze Schüssel aus Himmel, Sternen und einer kalten Mondsichel. Unter ihm in Richtung Norden leuchteten schwach die Lichter von Dornow, und nach Süden wand sich das silberne Band der Recknitz, an deren Ufer sich das Lager Totenhausen schmiegte. Er erkannte die Stelle an dem bläulichen Glühen der Scheinwerfer.
    McConnell zitterte am ganzen Körper. Es hatte ungeheure Mühe gekostet, einen Mann so zu trainieren, daß er auf diesen Mast klettern und die Gaskanister kontrollieren konnte. McConnell war nicht dieser Mann, aber er war derjenige, der es bis hierher geschafft hatte. Und falls das britische Nervengas funktionierte, konnte er alle SS-Männer in Totenhausen vernichten, wie es auch Jonas Stern hätte machen können ... falls das Gas wirkte, falls die Kanister während ihrer rasenden Fahrt ins Lager auf der Spur blieben. Falls ... falls ... falls ...
    McConnell hörte, wie Schörners Männer unter ihm auf die Büsche schlugen. Die Strahlen der Taschenlampen wurden vom Schnee in alle Richtungen reflektiert. Ein Hund kläffte wie verrückt, und jemand feuerte das Tier auch noch an. Sie

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