Schwarzer Tod
Zigarette anzuzünden. Schließlich half ihm Stern. »Danke, alter Freund«, sagte Owen. »Himmel, ich ziehe die Wüste dem hier allemal vor.«
»Diese selbstgefälligen Mistkerle«, knurrte Stern.
»Ich habe dir von Anfang gesagt, daß du träumst. Es ist außerdem auch eine Frage des Maßstabes. Angesichts einer bevorstehenden amphibischen Landung von einer Million Soldaten im besetzten Europa erregen ein paar Tausend Zivilisten, vor allem Juden, in Militärkreisen nicht gerade sonderlich viel Aufmerksamkeit.«
Stern hob seine gefesselten Hände. »Nimm mir die ab, Peter.«
Owen verzog das Gesicht. »Dafür stellt Dickson mich vors Kriegsgericht.«
»Peter ...«
»Ach, zum Teufel.« Owen kramte eine Zeitlang in seiner Tasche, bis er den Schlüssel schließlich gefunden hatte.
Stern riß ihn ihm aus der Hand und ging in Richtung Trafalgar Square. Die Handschellen klimperten auf dem Asphalt wie Kleingeld, das man einem Straßenjungen zugeworfen hatte. Stern steckte den Schlüssel in die Tasche und ging weiter. Da die Verdunkelungsvorschriften immer noch in Kraft waren, glitzerten die Sterne über London wie weit entfernte Scheinwerfer und beleuchteten ein Schild, das auf Luftschutzräume in der U-Bahnstation Charing Cross hinwies.
»Du mußt dich stellen, Jonas«, sagte Owen und versuchte, sich seinem Freund in den Weg zu stellen. »Du hast keine Wahl.«
Stern bemerkte, daß er sich beim Gehen instinktiv vom Wind abgewandt hatte. So war er seit seiner Jugend in Deutschland nicht mehr gelaufen. Manche Gewohnheiten änderten sich nie.
Owen packte ihn am Ärmel und brachte ihn mitten auf der Straße zum Stehen. »Jonas, ich mache dir keine Vorwürfe für das, was du bis jetzt getan hast. Aber ich kann auch nicht weiter die Verantwortung für dich übernehmen. Ganz gleich, was jetzt passiert, ich betrachte meine Schuld von Tobruk als beglichen.«
Stern sah den jungen Waliser vielsagend an, erwiderte jedoch nichts darauf.
»Ich sagte, wir sind quitt, was Tobruk angeht«, wiederholte Owen, doch seine Stimme klang weniger fest, als ihm lieb gewesen wäre.
»Sicher, Peter.« Stern wollte etwas hinzufügen, doch seine Worte wurden vom dumpfen Aufheulen eines Motors verschluckt. Ein langer, silberfarbener Bentley glitt an den Randstein und blieb mit laufendem Motor neben den beiden Männern stehen.
Stern stieß Owen gegen die Beifahrertür und rannte los. Er hörte, wie der Waliser ihn zurückrief und drehte sich um. Owen stand neben dem Bentley und nahm Haltung an. Stern konzentrierte sich auf das Innere des Wagens; er sah nur einen Fahrer und einen einzelnen Passagier. Vorsichtig ging er zurück. Jemand hatte das hintere Fenster heruntergekurbelt. Eingerahmt darin sah Stern ein verwittertes Gesicht mit strahlenden Augen und die Schulterklappen eines Brigadegenerals.
»Erkennen Sie mich?« fragte eine tiefe Stimme mit schottischem Akzent.
Stern musterte das Gesicht. »Sie waren bei dem Treffen.«
»Ich bin Brigadegeneral Duff Smith, Mr. Stern. Ich würde mich gern mit Ihnen unterhalten.«
Fragend blickte Stern zu Peter Owen. War das eine Falle? Der Waliser zuckte mit den Schultern.
Brigadegeneral Smith hielt einen silbernen Flachmann hoch. »Wollen Sie einen Schluck? Biestig kalt da draußen.«
Stern nahm das Angebot nicht an. Während er Brigadegeneral Duff Smith betrachtete, beschlich ihn plötzlich das Gefühl, daß er besser weglaufen sollte, als wäre der leibhaftige Teufel hinter ihm her. Irgend etwas sagte ihm, er sollte sich vor diesem Mann hüten. Fast instinktiv wich er von dem Bentley zurück.
Der Wagen glitt leise neben ihm her. »Kommen Sie schon, Junge!« rief Smith. »Was kann ein kleines Gespräch schon schaden?«
»Was für ein Gespräch?«
»Ein Gespräch darüber, Deutsche zu töten.«
»Ich bin Deutscher«, erwiderte Stern, marschierte weiter und beugte den Kopf gegen den Wind. Er sah an der finsteren Fassade der Admiralität hinauf. »Jedenfalls laut Major Dickson.«
»Ich hätte wohl besser Nazis sagen sollen.«
»Ich habe genug Nazis in Nordafrika getötet. Deshalb bin ich nicht hier.«
Smiths Antwort war über dem Grummeln des Bentleys kaum zu verstehen, doch Stern blieb wie angewurzelt stehen. »Ich rede darüber, Nazis in Deutschland selbst zu töten.«
Der Bentley hielt neben Stern an. Die Augen des Brigadegenerals funkelten böse. »Klingt das eher nach Ihrem Geschmack, Junge?«
Der Fahrer des Bentleys stieg aus und öffnete die Tür neben Smith; doch Stern zögerte
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