Schwarzer Tod
auszulöschen.«
Stern wandte sich von Brigadegeneral Smith ab und preßte die Wange gegen die kalte Autoscheibe. Sein Kopf dröhnte. »Und Sie haben eine metrische Tonne?«
»Eins Komma sechs.«
»Wie schön für Sie. Was wollen Sie damit tun?«
General Smiths Stimme klang wie das Rasseln eines rostigen Säbels. »Ich habe vor, jeden Mann, jede Frau, jedes Kind und jeden Hund in einem dieser drei Lager auszulöschen. SS-Männer, Gefangene, alles. Und ich werde Heinrich Himmler wissen lassen, wer das getan hat.«
Stern wußte nicht genau, ob er richtig gehört hatte. Er brauchte einen Moment, um das, was der General vorgeschlagen hatte, zu verstehen und zu verdauen. »Warum in Gottes Namen wollen Sie das tun?«
»Es ist ein Bluff. Ein Spiel. Vielleicht das größte Spiel des Krieges. Ich werde unseren Fingerhut von Gas benutzen, um Heinrich Himmler davon zu überzeugen, daß wir nicht nur unser eigenes Nervengas besitzen, sondern daß wir es auch benutzen werden, sollte es notwendig sein. Wenn er herausfindet, daß eines seiner wertvollen Lager bis auf den letzten Mann ausgelöscht worden und die deutsche Ausrüstung dabei bis auf die letzte Schraube in schönster Ordnung geblieben ist, dann muß er zu genau der Schlußfolgerung kommen, zu der er auch kommen soll. Daß nämlich, wenn die Nazis Nervengas gegen unsere Invasionstruppen einsetzen, ihre Städte mit derselben Waffe ausgelöscht werden können.«
»Aber wie wollen Sie sicherstellen, daß Hitler nicht mit seinen überlegenen Vorräten zurückschlägt?«
»Das weiß ich nicht. Aber wenn ich recht damit habe, daß Himmler das Nervengasprogramm im Alleingang führt, dann wird Hitler von unserem kleinen Überfall niemals etwas erfahren. Himmler wird die ganze Angelegenheit unter den Teppich kehren. Selbst wenn Hitler es herausfindet, wird er keine Beweise haben, die er der Welt als Entschuldigung für einen Vergeltungsschlag vorhalten könnte.«
»Sie sind verrückt«, erklärte Stern. »Hitler muß seine Handlungen vor niemandem rechtfertigen.«
»Da irren Sie sich«, widersprach ihm Smith überzeugt. »Hitler zögert zwar nicht, Juden zu massakrieren, aber er versucht alles zu verschleiern. Die öffentliche Meinung ist ihm wichtig. Das war sie schon immer.«
Stern hatte plötzlich eine Vorahnung. »General, das hier ist ein taktischer Einsatz. Warum kommen Sie damit zu mir?«
»Weil mir aufgrund einiger bedauerlicher politischer Überlegungen die Hände gebunden sind.«
»Und was sind das für Überlegungen?«
»Die Yankees sind dagegen.« Smith knurrte. »Verdammte Schuljungen! Sie begnügen sich damit, mit Stöcken und Kieselsteinen zu kämpfen und hoffen, daß niemand so wütend wird, daß er nach Hause geht und die Schrotflinte von Daddy holt. Und der Einspruch der Amerikaner verbietet es, daß ich britische oder amerikanische Kommandos auf diesen Einsatz schicken kann.«
»Und was ist mit Ihren SOE-Leuten?«
»Die Amerikaner haben sich auch dort hineingedrängt. Sie haben verlangt, daß wir Zwei-Mann-Fallschirmteams bilden, ein Yankee und einer von uns, um nach Frankreich zu gehen und dort die Resistance auf den D-Day vorzubereiten. Ich habe bisher noch keinen Yankee getroffen, der genug Französisch gesprochen hätte, um ein Breuf Bourguignonne zu bestellen, geschweige denn, einen Deutschen zum Narren zu halten.«
»Also kratzen Sie den Bodensatz zusammen. Flüchtlinge.«
Smith grinste. »Und zu allem Überfluß auch noch verdammte Terroristen.«
»Sind Sie überhaupt ermächtigt, eine solche Operation in die Wege zu leiten? Ein Brigadegeneral ist nicht gerade der Oberste Befehlshaber.«
Duff Smith griff in die Tasche seiner mit Schnüren verzierten Uniformjacke und zog einen Umschlag hervor. Diesem entnahm er Churchills Note und reichte sie Stern. Stern zuckte nicht einmal mit der Wimper, während er sie las.
»Zufrieden?« fragte Smith.
»Mein Gott«, flüsterte Stern auf deutsch.
»Ich will, daß Sie diesen Einsatz leiten. Sind Sie mein Mann oder nicht?«
Stern nickte. »Ja.«
Smith griff in seine Aktentasche und zog eine Karte von Europa heraus. Hakenkreuze überzogen das Papier von Polen bis zur französischen Küste. Stern spürte, wie sich sein Pulsschlag bei der Aussicht erhöhte, endlich etwas tun zu können.
»Sieht nicht so aus, als hätten wir in fünf Jahren viel erreicht, hab ich recht?« fragte Smith. »Sehen Sie her. Es gibt eine Angelegenheit, bei der Sie mir heute abend helfen können. Oder vielleicht haben Sie
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