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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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untereinander auf ein Stück Papier gemalt hat. Er ist einer Ihrer Rädelsführer. Das erkennt man sofort.«
    »Er ist erst 25, Sir«, widersprach Owen ruhig. »Aber Sie haben sicher recht, was seine Führungsqualitäten betrifft.«
    »Ich würde diesen Kerl ungern an die Wand gekettet sehen«, erklärte General Little. »Er hat Mut, obwohl er ein Jude ist.«
    »Außerdem wäre es sinnlos, ihn zu verhören«, sagte Owen gleichmütig.
    »Und warum?« verlangte Dickson zu wissen.
    »Major, Jonas Stern könnte Ihnen vermutlich jedes einzelne Mitglied der Haganah aufzählen. Vielleicht sogar die der Irgun. Aber er wird es Ihnen nicht sagen. Eher würde er sterben.«
    »Das haben schon viele Männer behauptet«, meinte Dickson überheblich. »Am Anfang. Diese Haltung hält nicht lange vor.«
    Owen schüttelte den Kopf. »Stern ist anders.«
    »Ach ja?« Dickson schnitt eine Grimasse. »Inwiefern?«
    »Haben Sie die Narben nicht gesehen? Er hat das schon einmal erlebt. Ich meine die Folter. Und das waren andere Methoden als Ihre, das können Sie mir glauben. Er ist eines Nachts von einem Überfall in der Nähe von AI Sabah geflohen, als sein Pferd sich das Bein gebrochen hat. Er war erst 17. Die Araber haben das Kommando verfolgt, und sie haben ihn fast sofort erwischt.«
    »Was haben Sie ihm angetan, zum Teufel?« erkundigte sich General Little.
    »Ich weiß es nicht genau, Sir. Er redet nie darüber. Sie hatten ihn nur eine Nacht und einen Tag in der Gewalt, aber die ihn erwischt hatten, waren echte Stammesangehörige. Sie waren mörderisch brutal. Stern hat es in der zweiten Nacht irgendwie geschafft zu entkommen. Er hat ihnen nichts verraten. Ich habe gehört, wie einige seiner Gefährten während des Nordafrikafeldzugs darüber getuschelt haben. Für die Zionisten ist er eine Legende. Ich habe ihn noch nie ohne sein Hemd gesehen.«
    »Meine Güte«, murmelte Little. »Ich habe schon im Großen Krieg die Ergebnisse einiger arabischer Verhöre in der Nähe von Gallipoli gesehen. Es ist ein Wunder, daß dieser Bursche überhaupt noch lebt.«
    »Wie gesagt, Sir. Meiner Meinung nach ist es sinnlos, ihn zu verhören. Er wird uns nichts erzählen, es sei denn, er will es.«
    »Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen«, lenkte Little ein. »Wir werden dieses Durcheinander morgen klären. Sie haben vier Stunden Zeit, ihn dazu zu bewegen, sich freiwillig zu stellen. Danach bekommen Major Dicksons Leute freie Hand.«
    »Ich werde ihn finden, Sir.«
    Little nickte. »Das ist alles, Captain.«
    »Danke, Sir.« Der Waliser stürmte durch die Tür.
    Brigadegeneral Smith stand langsam auf, nickte Little knapp zu und folgte Owen nach draußen.

7

    Jonas Stern stand allein in einem dunklen Torweg, drückte seinen zitternden Körper gegen den kalten Stein und beobachtete die Straße vor Whitehall. Er wußte nicht, wo er hinlaufen sollte. Es war ein so weiter Weg hierher gewesen.
    Der ganze weite Weg von Deutschland im Alter von 14 Jahren, mit seiner Mutter im Schlepptau und sein Vater, den sie zurückgelassen hatten. Tausende von Meilen über Land in einer Flüchtlingskarawane, wo Schlepper ihnen alles genommen hatten, was sie besaßen, bevor sie sie die illegale Strecke nach Palästina hinuntergeführt hatten. Wochen in einem heruntergekommen Frachter, durch dessen rostigen Rumpf Salzwasser leckte, während die Menschen unter Deck verdursteten. Jahre des Kampfes in Palästina, wo er gegen die Araber und die Briten gekämpft hatte, und dann in Nordafrika, wo es gegen die Nazis gegangen war. Schließlich von Palästina nach London, in einen Raum mit all den Stabsoffizieren, mit ihren getrimmten Schnurrbärten und den hochmütig dreinblickenden blauen Augen. Major Dickson hatte wenigstens die Wahrheit gesagt: Der einzige Grund, aus dem sie ihn hatten kommen lassen, war, ihn wegen der Haganah zu verhören.
    Stern verspannte sich unwillkürlich, als er eilige Schritte hörte. Vorsichtig spähte er um die Mauerecke herum und seufzte erleichtert. Es war Peter Owen, und der Waliser war allein. Stern streckte die Hand aus den Schatten und hielt ihn am Jackett fest.
    »Jonas!« rief Owen.
    Stern ließ das Jackett wieder los.
    Der junge Waliser zuckte verärgert mit den Schultern. »Was zum Teufel sollte das eben da drin?«
    »Das frage ich dich, Peter. Sind Major Dicksons Männer hinter mir her?«
    »Das werden sie sein, wenn du dich nicht innerhalb von vier Stunden freiwillig stellst.« Owen versuchte vergeblich, sich in dem heftigen Wind eine

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