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Schwarzer Valentinstag

Schwarzer Valentinstag

Titel: Schwarzer Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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wenn er sprach. »Bürschlein, ich könnte dir viel erzählen von Leuten, die dringend noch hinübermussten, spät am Abend, ja, mitten in der Nacht. Aber ich mache das nicht.«
    Christoph überlegte – die Wahrheit erzählen?
    »Du brauchst nichts zu sagen. Weißt du, alle haben eine Geschichte, warum sie gerade heute noch hinübermüssen.«
    Ein Schwarm Vögel flog über sie hinweg über den Rhein.
    »Du kannst die Leute immer in zwei Gruppen einteilen. Diejenigen, die nichts zu verbergen haben, und diejenigen, die etwas verbergen müssen. Wer nichts verbergen muss, hat es meist auch nicht sehr eilig.«
    Christoph nahm allen Mut zusammen. Der Frosch war jetzt vielleicht schon auf der anderen Seite des ersten Rheinarms und redete mit dem Fährmann wie er. »Ich kann es dir erzählen. Ich werde – «
    Stieß da drüben nicht ein Boot ab? Ja, ein Mann war eingestiegen. Christoph krallte die Finger ineinander.
    »Zweiter Fall: Du wirst verfolgt. Deshalb schaust du auch immer zum anderen Ufer. Aber wer verfolgt dich? Weiß ich es? – Wer ist der Gute, wer ist der Böse? Ich lehne jede Verantwortung ab: Ich bin kein Richter, sondern ein Fährmann. Im Übrigen kann ich dich beruhigen: Das Boot, das dort drüben gerade ablegt, kommt nicht hierher. Es ist nur ein Fischer, der nach seinen Reusen sehen will. Für heute wünsche ich angenehme Ruhe. Hier ist eine Pferdedecke, die hält warm. Du kannst auch in meine Hütte kommen, wenn du willst.«
    Christoph beschloss draußen im Boot zu bleiben. Wenn der Frosch früh am Morgen zu sehen war, konnte er in den Auwäldern verschwinden, bevor der ihn hatte.
    Und wenn der Frosch am Abend doch irgendwie über den Fluss gekommen war und ihn am Landeplatz erwartete?

S TRASSBURG
     
     
     
    Am selben Vormittag ging er vorbei an den blutigen Tierhäuten, die vor dem Schlachthaus ausgebreitet waren, über die Schindbrücke hinüber in die Innenstadt von Straßburg.
    Den Frosch hatte er nicht mehr gesehen.
    Der Vater hatte ihm von der Stadt erzählt, wie sie da mächtig an der Ill lag, die von den Straßburgern auch Breusch genannt wurde, wie die Dächer vom Bau des Münsters überragt wurden, wie sie schon seit über hundertfünfzig Jahren an dem gewaltigen Bau arbeiteten, der noch lange nicht beendet war.
    Zunächst ließ er sich von der Menge treiben. Aber er hatte Hunger, und das Stück Brot, das ihm die mitleidige Bauersfrau am Morgen gegeben hatte, würde nicht weit reichen. Er würde betteln müssen. Er hatte noch nie richtig gebettelt.
    Zwischen der Ill und dem Münster kam er an stattlichen Häusern vorbei. Hier wohnen vielleicht meine Feinde! Die Menschen, die meinen Vater getötet haben und die auch mich töten wollen. Es war aber nichts Auffälliges zu sehen.
    Verstohlen hielt er Ausschau nach den Juden, die ihm hatten helfen wollen. Und er schaute in dem Gewimmel nach den Gauklern Philo, der dicken Regine und dem breiten Balthas mit seinem großen Bart, aber er sah niemand, den er kannte.
    Das Münster wuchs vor ihm auf wie ein Gebirge. Er sah das riesige Auge der Rosette, von der ihm der Vater erzählt hatte. Was war die Stiftskirche in Stuttgart neben diesem halb fertigen, rötlichen Riesenfelsen, der seinen gewaltigen Schatten über Häuser und Gassen legte! Er sah die beiden Turmstümpfe, die viel höher waren als die Türme der Stiftskirche, die doch bereits ihre Spitze hatten. Schwindel erregende Gerüste kletterten an ihnen hoch. Er konnte aber nicht erkennen, dass gearbeitet wurde, als er durch eines der Portale hineinging.
    Lange stand er stumm im farbigen Dämmerlicht der Glasfenster. Es war, als hätten in dem gewaltigen Raum Engel die schwarzen Mauern in glühend buntes Licht verwandelt, als könne man durch die Wände hindurch in eine andere Welt sehen.
    Auf der Südseite des Münsters bei den Gerichtsschranken fielen ihm links und rechts im Portal zwei große Steinfiguren auf. Es waren zwei Frauengestalten, von denen sich die eine hoch aufreckte und ein hageres, hochmütiges Gesicht hatte. Sie hielt ein Kreuz in der Hand, an dem eine Fahne befestigt war, und schaute herausfordernd wartend, fast schadenfroh zu der anderen hinüber.
    Die andere war zur Seite geneigt wie abgeknickt und hielt einen zerbrochenen Speer in der Hand, der die Biegungen ihres Körpers nachzeichnete. Aus der anderen Hand schienen ihr zwei Steintafeln zu gleiten. Der Steinmetz hatte den Körper unter dem Gewand so dargestellt, dass es aussah, als sei sie jeder Kälte und allen Blicken

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