Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Valentinstag

Schwarzer Valentinstag

Titel: Schwarzer Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
Vom Netzwerk:
einmal welche zeigen. Wir sind über den spanischen Teil unserer Familie auch mit Maimonides, dem größten Gelehrten der Juden, verwandt«, fuhr sie fort, »eigentlich heißt er Mosche ben Maimon und stammt aus Cordoba in Spanien. Er lebte vor zweihundert Jahren. Vater hat uns einmal aus seinen Büchern vorgelesen und vieles erklärt. Es ist wunderbar, wie klar und vernünftig auf einmal alles erscheint, was in den Schriften steht.«
    Esther zeigte ihm die Steine, die auf die Grabsteine der Verstorbenen gelegt waren.
    »Es ist ein uralter Brauch, der zeigt, dass wir Juden aus der Wüste kommen. Wenn in der Wüste jemand gestorben ist, so war meist keine Zeit den Toten tief einzugraben. Es ging im Sand wohl auch schlecht. Deshalb legte man Steine über das flache Grab des Toten, einen möglichst großen Haufen. So konnten die wilden Tiere den Toten nicht ausscharren. Wer nun an einem solchen Grab vorüberkam, der legte einen Stein dazu. Diesen Brauch haben wir beibehalten.«
    Es gab Grabsteine, die grau waren vor Alter, manche waren schon halb in den Boden versunken. Andere waren ganz neu. Die Grabsteine waren meist aufrecht gestellt und hatten alle hebräische Inschriften, die Christoph nicht lesen konnte. Esther las ihm einige vor und übersetzte sie. Es waren Stellen aus den Psalmen, die er manchmal schon gehört hatte.
    Auf alles fiel gleichmäßig der Schnee.
    Die beiden legten Steine auf alle Grabsteine, die zur Familie gehörten.
    »Es ist auch für meinen Vater«, sagte Christoph leise, »dem haben sie als einem verurteilten Verbrecher ein christliches Grab verweigert. Wir konnten ihn in dem gefrorenen Boden kaum wirklich unter die Erde bringen.«
    Esther legte einen Stein dazu.
    Dann scharrte sie den Schnee von einem Mäuerchen und setzte sich darauf, sie schwieg lange.
    »Was soll aus uns werden?«, sagte sie leise.
    »Ich gehe mit euch. Ich habe es gesagt, ist doch keine Frage.«
    »Wir gehen ja nicht fort.«
    »Umso besser. Ich bleibe bei dir.«
    Esther hatte den Kopf an seine Schulter gelegt. Aber sie schwieg und starrte in den Schnee.
    Es war nun sicher, dass der Bischof von Straßburg einen Tag in Benfeld, seiner zweiten Residenz, ausgeschrieben hatte.
    »Er hält sich meist in Benfeld auf, in Straßburg hat er fast alle Macht eingebüßt«, sagte Löb abends, als die Stube schon dunkel war und nur der Schnee durch die Butzenscheiben hereinleuchtete.
    Löb berichtete weiter: »Er hat den ganzen Adel im Elsass eingeladen und alle Räte der Städte. Es geht ausschließlich um die Juden.«
    »Vater, noch ist Zeit – wir sollten gehen. Mendels sind vor vier Tagen abgereist und die Familie des Mosche ist dabei, ihre Sachen zusammenzupacken. Vater, was hält uns denn hier?« Nachum war aufgestanden.
    »Selbst wenn ich wollte. Es geht nicht mehr. Ich habe es schon einmal erklärt: Wenn wir jetzt gehen, geben wir erst recht einen Vorwand, dass sie über die Brüder herfallen, die bleiben.«
    »Alle müssen gehen. Du musst in der Gemeinde einen Aufruf machen. Sie hören auf dich. Vater!«
    »Noch einmal. Ich halte die Situation nicht für so gefährlich wie du. Es ist richtig, dass sie hetzen und dass der Bischof von Straßburg gegen uns ist. Aber er hat wenig Einfluss. Die einflussreichsten Persönlichkeiten in Straßburg sind zurzeit Herr Dopfschütz und Herr Schwarber und beide sind auf unserer Seite.«
    »Und was ist mit dem Bäcker Wangenbaum, der die Handwerker hinter sich hat, wie man hört?«, mischte Christoph sich ein.
    »Der Wangenbaum ist ein Spruchbeutel, die meisten im Rat nehmen ihn gar nicht ernst.«
    »Und dein Freund Dopfschütz – als du dem Menli helfen wolltest, da war er nicht bereit irgendetwas zu tun!«
    »Er konnte nicht, Nachum, ich habe das schnell eingesehen. Er musste nach den Vorschriften handeln, sonst hätte er uns noch mehr geschadet. Leute wie Wangenbaum warten doch nur darauf, dass Fehler gemacht werden. Am meisten habt ihr geschadet mit eurem Leichtsinn in der Nacht!«
    Die drei schwiegen.
    »Und der kleine Turm. Wer sind diese Leute, die nach der Macht streben und Christophs Vater getötet haben? Trotzdem, wir müssen wissen, was in Benfeld geschieht. Wir müssen wissen, was sie dort beschließen.«
    In der Stube war es nun fast ganz Nacht geworden.
    »Ich gehe nach Benfel?«, sagte Christoph, »seit meiner Ermordung bin ich nicht mehr so gefährdet, außerdem kann ich ja meine Haare wieder einmal scheren lassen.«
    »Oder du setzt eine Mütze auf«, sagte Esther und sah

Weitere Kostenlose Bücher