Schwarzer Valentinstag
ihn besorgt an, »oder beides.«
»Philo geht sicher mit dir«, nickte Löb, »ich habe auch gewisse Verbindungen, die mir Nachrichten zukommen lassen werden. Aber viele Augen sehen mehr.«
»Ich gehe auch mit«, sagte Nachum.
Aber der Vater verbot es ihm: »Wir brauchen dich hier.«
Nachum wagte nicht zu widersprechen.
Später sagte Christoph zu Philo: »Das Haus mit den vielen Kerzen – das begreife ich nicht. Du sagst, das sei eine Nachricht gewesen, als die Lichter ausgingen. Aber wer kann denn Tausende von Kerzen in so kurzer Zeit löschen?«
Philo schaute ihn an, bis Christoph verlegen wurde und murmelte: »Klar, was soll’s, sie haben einfach die Läden geschlossen und die Kerzen nachher gelöscht.«
Blutige Hälften von Schweinen und Ochsen wurden in den Hof der bischöflichen Residenz in Benfeld getragen. Dort brannten große Feuer, über denen von den Knechten des Bischofs an riesigen Spießen Schweine und halbe Ochsen langsam gedreht wurden. Der Schnee zerrann in Pfützen, in denen sich die Feuer spiegelten.
Draußen vor den Gittern des Palastes drängten sich die Bewohner von Benfeld im Schnee und schauten in den rauchigen Hof, wo sich die Diener gegenseitig wegrempelten, um für die Herren die besten Stücke zu ergattern. Die fürstlichen Diener, die mit ihren Herren gekommen waren, wurden bevorzugt bedient.
Auf den Dächern flatterten Krähen und Dohlen und warteten auf ihren Teil.
Philo hatte sich als Diener anwerben lassen.
Schließlich hatte sich auch für Christoph eine Stelle gefunden, bei der er den Saal übersehen konnte. Er half leere Teller und Trinkgefäße wegzutragen.
»Volle sind für dich zu gefährlich«, hatte Philo den Kopf geschüttelt und gelacht.
Früh am Morgen war in der Kirche von Benfeld in einem Gottesdienst des Bischofs um die »rechte Einsicht« gebetet worden. Ein gewaltiges Feuer brannte im riesigen offenen Kamin des großen Saales. Unter den Tischen der Herren standen Pfützen aus Bier und Wein und lagen halb abgenagte Knochen.
Reden wurden gehalten. Berthold II. der Bischof von Straßburg, redete über die Juden.
Es klingt nicht anders als bei Herrn Wangenbaum, dachte Christoph. Herr Wangenbaum saß weit vorne und rieb sich den Bauch nach dem fetten Essen. Neben ihm saßen weitere Mitglieder des Straßburger Rates. Da saßen Herr Dopfschütz, Herr Schwarber, der dürre Herr Eisenhut, der unendlich dicke Herr Kropfgans, der so gemütlich aussah mit seinem wehleidigen Altweibergesicht, wie Philo einmal gesagt hatte. Herr Mühlendamm und Herr Lobsack waren der sechste und siebte der Straßburger Delegierten. Herr Lobsack hatte kein einziges Haar mehr auf dem Kopf.
Philo turnte im Saal herum. Wenn jemand aufgepasst hätte, er hätte eine unglaubliche Gauklervorstellung zu sehen bekommen, und das umsonst: Es war unfassbar, mit wie vielen gefüllten Tellern und Platten gleichzeitig er sich durch den Saal schlängeln konnte.
Der Bischof war noch nicht zu Ende. Aber im Saal war ein Gemurmel und Gesumme, eigentlich hörte ihm niemand richtig zu. Fast an allen Tischen redeten die Besucher miteinander und warfen nur gelegentlich einen Blick auf den Bischof, der mit seinem roten Gewand und goldenem Stab prächtig dastand.
»Sie haben Jesus Christus an das Kreuz geschlagen. Wir können nicht so tun, als wüssten wir das nicht.«
Christoph beugte sich vor, um mitzubekommen, was ein Mann, der wie ein Graf angezogen war, zu seinem Tischnachbarn sagte. Er tat so, als bemühe er sich, möglichst viel Geschirr auf einmal wegzutragen.
»Wann kommt der endlich zur Sachen«, hörte er. »Das interessiert mich alles nicht – für mich zählen nur die Schulden, die ich bei den Juden in Colmar habe.«
»He du, wie lange brauchst du eigentlich noch, um die paar Teller hier wegzuräumen?«, rief sein Nachbar Christoph zu. »Dir tret ich gleich ins Kreuz. Ein bisschen hoppla jetzt!«
Christoph bemühte sich, etwas von den Gesprächen am Tisch der Straßburger zu hören. Aber Herr Dopfschütz saß da stumm wie aus Stein. Herr Schwarber flüsterte manchmal zu seinen Nachbarn, aber davon konnte Christoph nichts verstehen. Herr Wangenbaum redete unbekümmert laut auf Herrn Kropfgans ein. Aber da lohnte sich das Zuhören nicht. Jeder wusste, was Herr Wangenbaum über die Juden zu sagen hatte.
Der Bischof redete immer noch.
Später folgten weitere Redner. Sie sagten fast alle dasselbe: wie es Pflicht eines jeden Christen sei, sich von den Juden fern zu halten oder sie zur
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