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Schwarzer, Wolf, Skin

Schwarzer, Wolf, Skin

Titel: Schwarzer, Wolf, Skin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hagemann
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andere Werte,
    wir sind stolz, denn wir glauben an Blut und Ehre.
     
    »Wer ist denn schuldig?« fragte Kühler.
    Da ging der Alte hoch. »Jahrelang haben sie uns eingeredet, wir seien schuldig! Aber das stimmt nicht! Hitler hatte die richtigen Ziele im Auge, das sagt doch das gesunde Volksempfinden!«
    »Und was ist das«, fragte Kühler, »das gesunde Volksempfinden, was ist das?« Der konnte manchmal unheimlich cool drauf sein.
    »Was ist das, was ist das!« schrie der Alte. »Wenn der Führer jetzt hier stünde, würde er sagen: Und wir werden es ihnen einhämmern, Stunde für Stunde, Tag für Tag!« Er beruhigte sich wieder und sagte ruhiger: »Das gesunde Volksempfinden, das hast du hier in dir« – und er klopfte sich an die Brust – »das ist das Empfinden, was du mitbekommst in diesem unserem Land. Das ist das, was dir den Weg zeigt: das gesunde Volksempfinden.«

13
     
     
     
    In dieser Zeit waren Andy und ich viel zusammen. Ich brachte ihn mit zu Scheuerer. Und oft arbeiteten wir nachmittags zusammen. Andy ging es ähnlich wie mir, nur daß Andy häufig Fragen stellte. Und Scheuerer ging ziemlich geduldig auf diese Fragen ein.
    Nur einmal, als wir über Juden redeten, platzte ihm der Kragen. Er hatte uns vom Weltjudentum erzählt. Auch von einem Prozeß, der in Stuttgart anlief. Da habe ein ehemaliger Lagerinsasse gegen den Lügnerjuden Wiesenthal ausgesagt. Der Lagerinsasse habe gesagt, in Auschwitz habe man gewohnt. Es sei gearbeitet worden. Mehr nicht. Und der Lügnerjude Simon Wiesenthal hätte gesagt: »Das stimmt nicht!«
    An der Stelle hatte Andy ihn unterbrochen. »Nicht alle Juden sind schlecht«, sagte er. »Was ist denn mit Einstein?«
    Da schrie Scheuerer: »Geht weg mit eurer jüdischen Physik und eurer jüdischen Mathematik.«
    Der Andy hat nur noch gefragt, seit wann es denn eine französische oder deutsche oder jüdische Physik gebe.
    »Das ist doch was anderes«, schrie Scheuerer zurück.
    »Das versteht ihr noch nicht. Und Juden sind Juden. Und die sind minderwertig. Ihr müßt rassisch denken!« Sonst war Scheuerer immer geduldig, erstaunlich geduldig. Er sagte immer wieder: »Steter Tropfen höhlt den Stein.« Das war sein Leitspruch.
     
     
    Kurz darauf zogen wir zu fünft durch die Stadt, als Andy mich plötzlich anstieß: »Mein Vater.« Er zeigte auf einen Mann, mit dem Andy ganz starke Ähnlichkeit hatte. Auch dieses feine, weiche Gesicht, das man bei Andys Kahlkopf noch gut sah, während die meisten Skingesichter doch massig und fleischig wirken.
    Der Vater ging auf Andy zu. Begrüßte ihn. Andy gab ihm keine Hand, sah ihn nur an.
    Der Vater schaute mich an.
    »Das ist Wolf Schwarzer«, sagte Andy.
    »Kannst ja mal zu mir kommen mit ihm«, sagte der Vater.
    »O.K.«, sagte Andy. Für mich überraschend. Aber Andy hatte in letzter Zeit manchmal überlegt, ob er nicht besser nach Hause zurückginge. »Da laß ich mir die Haare ‘n bißchen wachsen, hab aber ein Zimmer für mich.« Er war immer in dem Keller und kriegte die Kameradschaftsabende mit, unsern Zoff, die Besäufnisse, die Züge durch die Stadt. Er kriegte alles mit. Vielleicht war das zuviel.
    »O. K.«, sagte er noch einmal.
    »Morgen?« fragte der Vater. »19 Uhr, Abendessen?«
    Wir nickten und gingen.
    »Der ist doch in Ordnung!« sagte ich.
    »Ist aber ein Sozi«, entgegnete Andy.
    »Na ja«, sagte ich, weil ich sonst nichts mehr wußte.
    Wir standen inzwischen vorm Bahnhof.
    »Dahinten ist eben ‘n dicker Rauschgifthandel aufgeflogen«, sagte Dolf. »Kommt, wir gehen mal hin, ob wir noch einen aufklatschen können, den die Polizei nicht kassiert hat. Ich hätte Lust auf 5 n Neger. Prost!« Er hob seine Bierflasche.
    Aber der Bahnhof wimmelte von Bullen. Die guckten uns auch noch an. Mißtrauisch. Wir haben uns schnell verdrückt. Immerhin suchten sie nach dem Türkenmörder. Auch wenn Schneider schon kassiert war.
    »Gut, daß die Rechten so total gegen Rauschgift sind«, sagte Andy. »Das find ich gut. Super. Die Dealer sollten sie aufhängen. In Gaskammern stecken«, sagte Andy. »Dann wäre Schluß damit. Aus, vorbei. Zack.« Das war so’n Spruch vom alten Motte.

14
     
     
     
    Am nächsten Abend gingen wir also zu Andys Vater. Ziemlich noble Gegend. Für meine Vorstellung. Tisch gedeckt vom Allerfeinsten. Er hatte sich echt Mühe gegeben.
    Wir aßen. Es gab feines kühles Bier. Wir schmatzten vor uns hin. Warum der Andy so blöd gewesen war, hier wegzugehen, verstand ich nicht.
    »Das kannste auch

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