Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer, Wolf, Skin

Schwarzer, Wolf, Skin

Titel: Schwarzer, Wolf, Skin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hagemann
Vom Netzwerk:
‘ner Stelle von ‘nem Schweißer, die durch einen rausgeworfenen Kanaken frei wird? Und drittens hat er gesagt: Der Haß, den du auf die Ausländer hast, der kommt von etwas ganz anderem. Ich könnte mir vorstellen, daß er bei dir daher kommt, daß deine Mutter damals abgehauen ist. Da hattest du Wut. Da hattest du Haß auf sie. Aber sie war ja weg. Und dann nimmt man sich den nächstbesten Prügelknaben und richtet den Haß gegen den. Und die Rechten, die kürzen doch all diese langen und komplizierten Denkgänge raus, damit alles schön einfach wird. Das hat er gesagt. Und: Tun, was der Führer sagt. Hassen, wen der Führer sagt. Gehorchen, wann der Führer sagt. Prügeln, wen der Führer sagt. Alles nach dem gleichen Strickmuster. Ist für alle am einfachsten.«
    »Mir reicht’s«, sagte ich. »Verkürz mal deine Rede.« Ich kniff Andy in den Arm. Ich wußte nicht richtig, was ich sagen sollte. War ja echt nicht so dumm.
    Ich fing von Scheuerer und dem alten Motte an. Die hatten uns so allmählich das Gedankengerüst gebaut. Das Weltbild. Die haben uns Texte mitgebracht. Die haben geredet über alles. Großdeutschland, Juden, Arbeitslosigkeit und Drogen und Dealer. Auch über die Bedeutung der deutschen Familie: Mann, Frau, Kinder. Arterhaltung. Sie haben uns Filme gezeigt aus der Zeit des Dritten Reiches. »Damit ihr seht, wie es richtig ist«, hatte Scheuerer gesagt. Rauchen durften wir nicht. Nein. Auch keine Drogen nehmen. Nur getrunken haben wir.
    »Und das ist doch gut«, sagte ich zu Andy.
    »Manchmal denk ich, der hat recht, mein Vater. Und dann denk ich wieder, der spinnt«, sagte Andy.
    »Halt den andern gegenüber bloß die Schnauze. So was kannste nur mir sagen.«
    Aber konnte er es mir sagen? Ich wußte es nicht. Es war seltsam. Er hatte ein Stück recht. Ein Stück hatte ich Wut auf ihn, weil er uns eigentlich verriet. Und ein Stück Neid war da.
    Ich schaute hoch in den Himmel, in die Wolken. Alles bewegte sich. Ich spuckte aus. Alles Scheiße. Wut hatte ich in der linken Bauchhälfte: Wut. Und dann dachte ich auch wieder: Ich hab einen Freund, einen echten Freund.
    Die Wolken zogen weiter, die Blätter bewegten sich.
    »Schön«, sagte ich.
    Diesmal fragte Andy: »Was?«

16
     
     
     
    Wir waren Skins, und doch waren wir mehr. Als Skin bist du eigentlich nur gegen etwas. Du willst etwas zerschlagen, auf das du einen Haß hast. Aber als echter Rechter willst du ja mehr: Du willst die alte Ordnung. Das bedeutet Disziplin, Durchsetzen dieser Ordnung: Kanaken raus, Juden raus. Deutschtumpflege. Marschmusik. Und trotzdem. Trotzdem fehlte da was.
    Andy war wieder bei seinem Vater gewesen. Andy und sein Vater. Der wollte ihn nicht zwingen. »Du kannst jederzeit zurückkommen«, hatte er zu Andy gesagt.
    Andy machte weiter mit. Trotzdem. Obwohl er Bedenken hatte. »Sie kümmern sich«, sagte er. »Und dafür nimmst du ‘ne Menge in Kauf. Dafür, daß du dich wieder sicher fühlst und weißt, wohin du gehörst.«

17
     
     
     
    Der alte Motte versuchte manchmal, uns irgendwohin zu schicken. Einmal zum Judenfriedhof. Da sollten wir Randale machen. Er hatte die Truppe seiner Jungs. Die besorgten das eigentlich. Das waren aber richtig Rechte. Wir sollten nur helfen. Aber wir waren Skins. Und ein Skin macht das, was geil ist, und nicht das, was ihm befohlen wird. Der macht Zoff. Und deswegen machten wir nur mit, wenn wir Lust hatten. Darüber war der alte Motte natürlich sauer. Aber auch ohne seine Befehle machten wir Randale, wie er es wollte.
     
     
    »Du, dahinten ist ein jüdisches Altersheim, das wollen wir uns mal angucken.«
    Die hatten uns ‘ne Menge über Juden erzählt und das internationale Judentum und wie uns der internationale Jude ausnähme.
    Da kam ein alter Mann aus dem Altersheim. Den haben wir aus Jux eingekreist.
    »Wo haste denn deinen Judenstern, Opa?« hat Fried gefragt. Alle lachten. »Den näh dir aber mal schnell an!«
    »Heute kriegste nur einen Verweis«, hat Dolf gesagt. »Knie dich mal hier vor mich hin und bitte um Entschuldigung.«
    Der Alte war kalkweiß. Als er stehen blieb, hat Dolf ihn gestoßen und noch mal getreten. »Das war der Verweis«, hat er gesagt. »Beim nächsten Mal ein bißchen mehr, merk dir das, Opa!«
    Wir mußten alle lachen und sind gegangen. Aber ich hab in Erinnerung, daß Andy sich ein Stück weggestellt hatte von uns.
    So haben wir uns noch manchen Ausländer vorgenommen. Gab ja genug.
    Und dem Andy hat der Scheuerer doch glatt gesagt:

Weitere Kostenlose Bücher